Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
wir nach Barcelona, und sie verblüffte mich mit ihren Spanischkenntnissen, komplett mit Zungenspitzen-R, das hatte sie alles heimlich innerhalb von ein paar Monaten gelernt. Meine Frau hat ein brillantes, lebhaftes Gehirn, sie ist kolossal neugierig und wissensdurstig. Doch meist werden ihre Obsessionen von Rivalitäten angeheizt: Sie muss die Männer blenden und die Frauen eifersüchtig machen: Natürlich kann Amy französisch kochen und fließend Spanisch sprechen und gärtnern und stricken und einen Marathon laufen, und sie beherrscht den Tageshandel des Aktienmarkts aus dem Effeff und kann ein Flugzeug fliegen und dabei noch wie ein Runway-Model aussehen . Sie muss Amazing Amy sein, die ganze Zeit. Hier in Missouri gehen die Frauen bei Target einkaufen, bereiten ordentliche, schmackhafte Gerichte zu und lachen darüber, dass sie sich kaum mehr an das Spanisch erinnern, das sie auf der Highschool gelernt haben. Konkurrenz interessiert sie nicht. Amys gnadenlose Leistungsbesessenheit wird offen, vielleicht ein kleines bisschen mitleidig akzeptiert. Für meine konkurrenzorientierte Frau aber ist sie hier mit dem konfrontiert, was für sie das Allerschlimmste ist: einer Stadt zufriedener Verliererinnen.
»Sie hat eine Menge Hobbys«, sagte ich.
»Macht Ihnen irgendwas Sorgen?«, fragte Boney und sah sofort besorgt aus. »Drogen oder vielleicht Alkohol? Ich möchte Ihre Frau nicht schlechtmachen. Ganz schön viele Hausfrauen, weit mehr, als man denkt, kriegen so den Tag rum. Wenn man alleine ist, wird einem die Zeit lang. Und wenn aus dem Trinken dann ein Drogenproblem wird – und ich meine damit nicht Heroin, sondern beispielsweise verschreibungspflichtige Schmerztabletten –, tja, hier in der Gegend treiben sich ein paar ganz üble Typen rum, die das Zeug verkaufen.«
»Der Drogenhandel ist richtig schlimm geworden«, sagte Gilpin. »Wir hatten einige Entlassungen bei der Polizei – ein Fünftel der Truppe, und wir waren schon vorher knapp besetzt. Ich meine, es ist echt übel, wir werden praktisch überrannt.«
»Letzten Monat ist einer Hausfrau wegen ein paar OxyContin ein Zahn ausgeschlagen worden«, fügte Boney zur Veranschaulichung hinzu.
»Nein, Amy hat vielleicht hin und wieder ein Glas Wein getrunken, aber keine Drogen.«
Boney beäugte mich – das war eindeutig nicht die Antwort, die sie sich erhofft hatte. »Hat sie hier gute Freundinnen? Wir würden gern ein paar von ihnen anrufen, nur um sicherzugehen. Nichts für ungut. Manchmal ist der Ehepartner der Letzte, der was davon mitkriegt, wenn Drogen im Spiel sind. Die Leute schämen sich – vor allem Frauen.«
Freundinnen. In New York fand Amy wöchentlich neue Freundinnen und legte alte ab, sie ging mit ihnen ähnlich um wie mit ihren sonstigen Projekten. Anfangs war sie begeistert: von Paula, die ihr Gesangsunterricht gab und eine mörderisch gute Stimme hatte (Amy war in Massachusetts auf dem Internat gewesen, und ich liebte es, wenn sie plötzlich Ausdrücke von dort verwendete – wicked good ); von Jessie aus dem Fashion-Design-Kurs. Aber wenn ich nach einem Monat oder so nachfragte, was denn aus Jessie oder Paula geworden war, sah Amy mich an, als wüsste sie überhaupt nicht, wovon ich sprach.
Dann waren da noch die Männer, die immer um Amy herumgeisterten, begierig darauf, die Dinge zu erledigen, die ihr Ehemann versäumte. Ein Stuhlbein reparieren, Amys importierten asiatischen Lieblingstee auftreiben. Männer, die schworen, dass sie Amys Freunde waren, einfach nur gute Freunde. Amy hielt sie exakt auf Armlänge von sich weg – weit genug, dass ich mich nicht allzu sehr darüber aufregen konnte, nah genug, dass sie nur mit den Fingern zu schnippen brauchte, und sie erfüllten ihr jede Bitte.
Und in Missouri … guter Gott, ich wusste es wirklich nicht. Erst in diesem Augenblick wurde mir das klar. Du bist echt ein Arschloch, dachte ich. Zwei Jahre waren wir jetzt hier, und nach dem Anfangswirbel von Begegnungen, den manischen ersten Monaten, hatte Amy sich mit niemandem mehr regelmäßig getroffen. Sie hatte Kontakt zu meiner Mom gehabt, die inzwischen tot war, und zu mir – und unsere Konversation bestand in den meisten Fällen aus Angriff und Verteidigung. Nach dem ersten Jahr in Missouri fragte ich sie mit geheuchelter Ritterlichkeit: »Und wie gefällt es dir in North Carthage, Mrs. Dunne?« »In New Carthage, meinst du?«, hatte sie geantwortet. Ich weigerte mich, sie zu fragen, was das heißen sollte, aber mir
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