Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
dann musst du dich darum schon mal nicht mehr kümmern.«
Mike und ich mähten abwechselnd auf allen verlassenen Grundstücken des Wohnkomplexes das Gras – heftige Regenfälle im Frühling hatten die Gärten in einen Dschungel verwandelt, der seinerseits den Zuzug von Waschbären begünstigt hatte. Sie waren überall, fraßen sich mitten in der Nacht durch unseren Müll, schlichen sich in die Keller, fläzten auf der Veranda wie faule Haustiere. Das Mähen schien sie nicht zu vertreiben, aber jetzt konnten wir sie wenigstens sehen.
»Danke, Mann, danke«, sagte ich.
»Mann, meine Frau ist total hysterisch, seit sie davon erfahren hat«, sagte er. »Total hysterisch.«
»Tut mir leid, das zu hören«, sagte ich. »Ich muss …«, fuhr ich fort und deutete zur Tür.
»Sitzt rum mit Bildern von Amy und heult.«
Ohne Zweifel waren über Nacht tausend Internet-Fotos aufgetaucht, nur um die erbärmlichen Bedürfnisse von Frauen wie der von Mike zu befriedigen. Ich hatte keine Sympathien für Drama-Queens.
»Hey, ich muss dich fragen …«, begann Mike.
Ich tätschelte seinen Arm und deutete wieder zur Tür, als hätte ich dringende Dinge zu erledigen. Ehe er seine Frage stellen konnte, wandte ich mich ab und klopfte an die Tür meines eigenen Hauses.
Officer Velásquez begleitete mich nach oben, in mein eigenes Schlafzimmer, in meinen eigenen begehbaren Wandschrank – an dem silbern glänzenden Geburtstagsgeschenkwürfel vorbei – und ließ mich meine Sachen durchsehen. Meine Klamotten vor dieser jungen Frau mit dem langen braunen Zopf zu durchforsten, machte mich irgendwie nervös. Bestimmt begutachtete sie mich und bildete sich eine Meinung über mich. Schließlich griff ich blind etwas heraus: Der endgültige Look war business-casual, Stoffhose und kurzärmeliges Hemd, als ginge ich auf einen Kongress. Könnte ein interessanter Essay werden, dachte ich – wie man sich angemessene Kleidung aussucht, wenn eine geliebte Person verschwunden ist. Den gierigen, themenhungrigen Autor in mir konnte ich nicht abstellen.
Ich stopfte alles in eine Tasche, drehte mich um und sah zu der Geschenkbox auf dem Boden. »Kann ich reinschauen?«, fragte ich die Polizistin.
Sie zögerte, ging dann aber auf Nummer Sicher. »Nein, tut mir leid, Sir. Lieber nicht jetzt.«
Die Kante des Geschenkpapiers war sorgfältig aufgeschlitzt. »Hat jemand reingeschaut?«
Sie nickte.
Ich ging um sie herum zu dem Geschenk. »Wenn schon jemand reingeschaut hat, dann …«
Sofort vertrat sie mir den Weg. »Sir, ich darf das nicht zulassen.«
»Aber das ist doch lächerlich. Es ist ein Geschenk für mich , von meiner Frau …«
Ich ging wieder um sie herum, bückte mich und hatte eine Hand schon auf der Kante der Schachtel, als sie mir von hinten den Arm über die Brust schlang. Wut schoss in mir hoch, dass diese Frau die Frechheit hatte, mir in meinem eigenen Haus vorzuschreiben, was ich zu tun und zu lassen hatte. Ganz gleich, wie sehr ich mich anstrenge, der Sohn meiner Mutter zu sein, die Stimme meines Vaters erschallt ungebeten in meinem Kopf und lädt dort schreckliche Gedanken und gemeine Wörter ab.
»Sir, das hier ist ein Tatort, Sie …«
Blöde Schlampe .
Auf einmal war Riordan, ihr Partner, im Raum und stürzte sich ebenfalls auf mich. Ich schüttelte sie ab – schon gut, schon gut, verdammt –, aber sie zwangen mich, die Treppe runterzugehen. Bei der Haustür kauerte eine Frau auf allen vieren, und untersuchte die Dielen, vermutlich auf Blutspuren. Sie blickte gleichgültig zu mir auf und wandte sich dann wieder ihrer Aufgabe zu.
Auf dem Weg zu Go, wo ich mich umziehen wollte, versuchte ich, mich zu entspannen. Was ich gerade erlebt hatte, war nur eins in einer langen Reihe von ärgerlichen und idiotischen Dingen, die die Polizei im Zuge ihrer Ermittlungen tun würde (ich mag sinnvolle Regeln, aber keine unlogischen), also musste ich mich beruhigen: Mach dir die Cops nicht zum Feind, sagte ich mir. Wiederhole bei Bedarf: Mach dir die Cops nicht zum Feind.
Als ich aufs Revier kam, begegnete ich Boney, und sie sagte in aufmunterndem Ton, als würde sie mir ein warmes Muffin anbieten: »Ihre Schwiegereltern sind hier, Nick.«
Marybeth und Rand Elliott hielten sich wie immer im Arm und sahen hier, mitten in der Polizeiwache, aus, als posierten sie für ein Abschlussball-Foto. Genau dieses Bild hatte ich immer von ihnen im Kopf, Hände streichelnd, Kinne reibend, Wangen aneinanderschmiegend. Wenn ich die
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