Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
Elliotts zu Hause besuchte, verwandelte ich mich unweigerlich in einen zwanghaften Räusperer – Hallo, ich komm jetzt rein! –, weil ich an jeder Ecke darauf gefasst sein musste, mit den Elliotts zusammenzustoßen, die sich gerade liebevoll umarmten. Jedes Mal, wenn sie sich voneinander verabschiedeten, küssten sie sich auf den Mund, und wenn Rand an seiner Frau vorbeiging, umfasste er mit der Hand ihren Hintern. Ein solches Verhalten war mir vollkommen fremd. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich zwölf war, und ich glaube, in sehr zartem Alter habe ich zwischen den beiden vielleicht mal ein verschämtes Küsschen auf die Wange miterlebt, wenn es sich nicht vermeiden ließ. An Weihnachten, am Geburtstag. Mit trockenen Lippen. Selbst in den besten Zeiten ihrer Ehe war ihre Kommunikation ausschließlich transaktionsbezogen. Wir haben schon wieder keine Milch mehr. (Ich hole nachher welche.) Das muss ordentlich gebügelt werden. (Ich mach das heute noch.) Warum ist es so schwer, Milch zu kaufen? (Schweigen.) Du hast vergessen, den Klempner anzurufen. (Seufzer.) Verdammt, zieh die Jacke an, sofort, geh raus und hol gefälligst die verfluchte Milch! Auf der Stelle! Solche Botschaften und Befehle wurden von meinem Vater ausgestoßen, der meine Mutter bestenfalls wie eine inkompetente Dienstbotin behandelte. Und schlimmstenfalls? Er hat sie nie geschlagen, aber seine pure, unartikulierte Wut füllte das Haus für Tage und Wochen, machte die Luft feucht, das Atmen schwer, und mein Vater marschierte mit vorgeschobenem Unterkiefer herum wie ein gekränkter, rachsüchtiger Boxer und knirschte so laut mit den Zähnen, dass man es im ganzen Zimmer hörte. Manchmal warf er Gegenstände nach meiner Mutter, oder zumindest in ihre Richtung, nicht direkt auf sie. Ich bin sicher, er hat sich gesagt: Ich hab sie doch nie getroffen. Ich bin sicher, aufgrund dieses Details, dieser Formsache, musste er sich nie als Täter sehen. Aber er verwandelte unser Familienleben in einen endlosen Road-Trip mit schlechten Anweisungen und einem wutverkrampften Fahrer, in einen Urlaub, der nie die Chance bekam, Spaß zu machen. Bring mich bloß nicht dazu zu wenden. Bitte, bitte, dreh endlich um.
Ich glaube nicht, dass meine Mutter als solche das Problem meines Vaters war. Er mochte einfach keine Frauen. Er fand sie dumm, irrelevant, lästig. Diese blöde Schlampe, das war sein Lieblingsausdruck für jede Frau, die ihn nervte: Autofahrerinnen, Kellnerinnen, unsere Grundschullehrerinnen, von denen er keine jemals kennenlernte, denn Elternsprechstunden waren Frauensache. Ich weiß noch genau, wie Geraldine Ferraro 1984 als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft nominiert wurde. Wir schauten es uns alle vor dem Abendessen in den Fernsehnachrichten an, und meine Mutter, meine zierliche, süße Mom legte die Hand auf Gos Kopf und sagte: Also, ich finde das toll. Da stellte Dad den Fernseher aus und knurrte: Das ist ja wohl ein Witz, ein gottverdammter. Als würde man einem Affen beim Radfahren zusehen.
Es dauerte weitere fünf Jahre, bis meine Mutter endlich zu dem Schluss kam, dass sie genug davon hatte. Eines Tages kam ich von der Schule nach Hause, und mein Vater war weg. Morgens war er noch da, nachmittags war er verschwunden. Meine Mom ließ uns am Tisch Platz nehmen und verkündete: »Euer Vater und ich haben beschlossen, dass es für alle das Beste ist, wenn wir getrennt wohnen.« Go brach in Tränen aus und heulte: »Gut, ich hasse euch beide!« Und dann ging sie, statt sich ans Drehbuch zu halten und in ihr Zimmer zu rennen, zu meiner Mutter und nahm sie in den Arm.
So verließ uns mein Vater, und meine dünne gequälte Mutter wurde dick und glücklich – ziemlich dick und extrem glücklich –, so, als hätte es schon die ganze Zeit über so sein sollen. Ein schlaffer Ballon, der wieder Luft bekommt. Innerhalb eines Jahres verwandelte sie sich in eine vielbeschäftigte, herzliche, fröhliche Frau, und so blieb sie bis zu ihrem Tod. Ihre Schwester sagte Dinge wie: »Gott sei Dank, dass die alte Maureen wieder da ist«, als wäre die Frau, die uns großgezogen hatte, eine Schwindlerin gewesen.
Mit meinem Vater redete ich jahrelang einmal pro Monat am Telefon, ein höfliches, sachliches Gespräch, eine Auflistung dessen, was in der Zwischenzeit passiert war. Die einzige Frage, die mein Vater mir jemals in Bezug auf Amy stellte, war: »Wie geht es Amy?«, womit er keine längere Antwort provozieren wollte als: »Ihr geht’s
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