Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
ein freundliches Winken übrig.
»Ich musste mich viel mehr anstrengen als alle anderen bei der Zeitschrift, um überhaupt reinzukommen. Im Grund habe ich zwanzig Jahre dafür gearbeitet, um dahin zu kommen, wo ich bin, und jetzt geht alles den Bach runter, und ich kann nichts anderes, es sei denn, ich gehe wieder nach Hause und werde eine Flussratte.«
»Du bist aber wahrscheinlich zu alt, um Huck Finn zu spielen«, sage ich.
»Fick dich, Amy.«
Und dann geht er ins Schlafzimmer. So was hat er noch nie zu mir gesagt, aber es ist ihm so leicht über die Lippen gekommen, dass ich annehme – obwohl ich noch nie einen Gedanken daran verschwendet habe –, dass ich annehme, er hat es im Stillen schon mal gedacht. Schon oft sogar. Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich eine Frau sein würde, deren Mann »Fick dich« zu ihr sagt. Und wir haben uns versprochen, nie wütend ins Bett zu gehen. Kompromisse schließen, kommunizieren, aber nicht wütend ins Bett gehen – die drei Ratschläge, die allen Jungvermählten immer wieder mit auf den Weg gegeben werden. Aber in letzter Zeit scheine ich die Einzige zu sein, die Kompromisse schließt; unsere Kommunikation löst nichts, und Nick kann sehr gut wütend schlafen gehen. Er kann seine Gefühle abschalten, wie man einen Wasserhahn zudreht. Jetzt schnarcht er bereits.
Und dann tue ich etwas, was ich eigentlich nie tun wollte, denn es geht mich nichts an, denn ich weiß, dass Nick stinksauer sein würde, wenn er es rausfindet: ich spaziere hinüber zum Mülleimer und ziehe die Quittungen heraus, um mir anzusehen, wo er die ganze Nacht gewesen ist. Zwei Bars, zwei Strip-Clubs. Und ich kann ihn mir dort vorstellen, wie er mit seinen Freunden über mich redet, denn er redet garantiert schon seit einer ganzen Weile über mich, sonst würden ihm solche kleinlichen, schlammigen Gemeinheiten nicht so leicht über die Lippen kommen. Ich stelle ihn mir in einem der teureren Strip-Clubs vor, einem von diesen schicken Etablissements, die den Männern das Gefühl geben, dass sie immer noch das Sagen haben, dass Frauen dafür erschaffen wurden, ihnen zu dienen, mit absichtlich schlechter Akustik und dröhnender Musik, damit man gar nicht erst in Versuchung kommt, sich zu unterhalten. Eine großbusige Frau setzt sich auf den Schoß meines Mannes (der schwört, dass alles nur Spaß ist), die Haare fallen ihr über den Rücken, ihre Lippen schimmern feucht vom Lipgloss, aber ich soll das nicht bedrohlich finden, nein, es ist bloß Jungs-Jux, ich soll darüber lachen und kein Spielverderber sein.
Dann rolle ich den zerknüllten Zettel auseinander und sehe darauf die Handschrift einer Frau – Hannah – und eine Telefonnummer. Ich wollte, es wäre wie im Kino, ein alberner Name wie CanDee oder Bambie, etwas, bei dem man die Augen verdrehen kann. Misti mit zwei Herzen über den Is. Aber es ist Hannah, eine echte Frau, vermutlich eine wie ich. Nick hat mich nie betrogen, das hat er geschworen, aber ich weiß auch, dass er jede Menge Gelegenheit dazu hat. Natürlich könnte ich ihn fragen wegen Hannah, und er würde sagen Ich hab keine Ahnung, warum sie mir ihre Nummer gegeben hat, aber ich wollte nicht unhöflich sein, deshalb hab ich sie genommen . Das könnte stimmen. Oder auch nicht. Er könnte mich betrügen und es mir nie verraten, und er würde mich mehr und mehr dafür verachten, weil ich ihm nicht auf die Schliche komme. Er würde mich am Frühstückstisch sehen, wie ich völlig ahnungslos mein Müsli mampfe, und wissen, dass ich eine Idiotin bin, und wie kann man vor einer Idiotin Respekt haben?
Jetzt weine ich schon wieder, mit Hannah in der Hand.
Typisch Frau, oder nicht? Eine Jungs-Nacht zu einer ehelichen Untreue aufzublasen, die unsere Ehe zerstören wird?
Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich komme mir vor wie ein Fischweib oder wie ein blöder Schuhabstreifer – ich weiß nicht, welches. Ich möchte nicht wütend sein. Müsste ich überhaupt wütend sein? Ich überlege mir, ob ich in ein Hotel gehen soll, damit er sich zur Abwechslung mal fragen kann, wo ich bin.
Ein paar Minuten stehe ich einfach nur da, dann hole ich tief Luft, wate in unser alkoholfeuchtes Schlafzimmer, und als ich ins Bett krieche, dreht er sich zu mir, schlingt die Arme um mich, vergräbt das Gesicht an meinem Hals, und dann sagen wir beide gleichzeitig: »Tut mir leid.«
Nick Dunne
Ein Tag danach
Blitzlichter explodierten, und ich hörte auf zu lächeln, aber leider nicht schnell genug.
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