Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
ich Ihnen.«
»Glauben Sie, es ist wichtig?«
»Na ja, es zeigt, wo Amy in den letzten ein, zwei Tagen gewesen sein muss, bevor sie verschwunden ist. Also ist es ganz bestimmt nicht unwichtig.« Er betrachtete das Briefpapier. »Süß, oder nicht? Wie in einem Film: eine Schatzsuche. Meine Frau und ich, wir schenken uns eine Karte oder gehen vielleicht zusammen was essen. Klingt, als machen Sie das richtig. Erhalten sich die Romantik.«
Dann schaute Gilpin auf seine Schuhe, wurde verlegen und klimperte mit seinen Schlüsseln, bevor er zum Auto ging.
Das College hatte mir ziemlich großartig ein Kabuff als Büro zur Verfügung gestellt, in dem gerade ein Schreibtisch, zwei Stühle und ein paar Regalbretter Platz fanden. Gilpin und ich schlängelten uns durch die Gruppen von Schülern, die die Summer School besuchten, eine Kombination unglaublich junger Kids (gelangweilt, aber eifrig, die Finger mit dem Tippen von SMS oder der Musikauswahl des MP3-Players beschäftigt) und ernsten älteren Jahrgängen, die vermutlich aus der Mall entlassen worden waren und jetzt versuchten, sich für eine neue Karriere umschulen zu lassen.
»Was unterrichten Sie denn?«, fragte Gilpin.
»Journalismus, Zeitschriftenjournalismus.« Ein Mädchen, das im Gehen SMS schrieb, vergaß einen Moment die Koordination der Fortbewegung und rannte mich fast um. Ohne aufzublicken, wich sie mir im letzten Moment aus. Es ärgerte mich, und ich kam mir vor wie ein mürrischer alter Sack – runter von meinem Rasen!
»Ich dachte, Sie machen nichts mehr mit Journalismus.«
»Wer etwas nicht kann …«, zitierte ich grinsend.
Ich schloss mein Büro auf und trat in die stickige, staubige Luft. Ich hatte den Sommer freigenommen und war seit Wochen nicht mehr hier gewesen. Auf meinem Schreibtisch lag ein weiterer Umschlag, mit der Aufschrift: ZWEITER HINWEIS.
»Haben Sie Ihren Schlüssel immer am Schlüsselbund?«, fragte Gilpin.
»Japp.«
»Dann könnte Amy ihn sich geliehen haben, um hier reinzukommen?«
Ich riss den Umschlag an der Seite auf.
»Wir haben zu Hause noch einen Ersatzschlüssel.« Amy ließ von allem Ersatz anfertigen – ich hatte nämlich die Neigung, Dinge wie Schlüssel, Kreditkarten oder Handys zu verlieren, aber das wollte ich Gilpin lieber nicht sagen. Ich hatte keine Lust, schon wieder zu hören, dass ich eben das Nesthäkchen war. »Warum?«
»Oh, ich wollte nur sichergehen, dass sie sich nicht beim Hausmeister oder so melden musste.«
»Nein, hier gibt es keine Freddy-Krüger-Typen – nicht dass ich wüsste jedenfalls.«
»Ich hab die Filme nie gesehen«, entgegnete Gilpin.
In dem Umschlag steckten zwei zusammengefaltete Zettel. Auf dem einen war ein Herz, auf dem anderen stand HINWEIS.
Zwei Zettel. Das war anders als sonst. Mein Magen zog sich zusammen. Der Himmel mochte wissen, was Amy mir mitteilen wollte. Als Erstes öffnete ich das Briefchen mit dem Herzen. Ich wünschte, ich hätte Gilpin nicht mitkommen lassen, dann fiel mein Blick auf die ersten Worte:
Mein geliebter Mann,
ich dachte, das hier ist der perfekte Ort – die heiligen Hallen des Lernens –, um dir zu sagen, dass Du ein brillanter Mann bist. Ich sag es Dir nicht oft genug, aber ich staune immer wieder über Deine Intelligenz: die ungewöhnlichen Statistiken und Anekdoten, die seltsamen Fakten, das beunruhigende Talent, aus jedem beliebigen Film zu zitieren, die schnelle Auffassungsgabe, die wunderschönen Formulierungen. Wenn ein Paar schon jahrelang zusammen ist, vergessen die Partner manchmal, wie wundervoll sie einander finden. Ich weiß noch, wie hingerissen ich von Dir war, als wir uns das erste Mal begegnet sind, und deshalb möchte ich Dir sagen, dass es immer noch so ist. Und das ist eine der Eigenschaften, die ich an Dir am liebsten mag: Du bist einfach BRILLANT !
Ich schluckte. Gilpin hatte über meine Schulter hinweg mitgelesen, und er stieß tatsächlich einen wehmütigen Seufzer aus. »Echt süß«, sagte er. Dann räusperte er sich. »Äh, hmm, gehört das Ihnen?«
Mit dem Radiergummi-Ende eines Bleistifts hob er ein Damen-Dessous (eigentlich war es ein Höschen – winzig, filigran, rot –, aber ich weiß, dass Frauen dieses Wort scheußlich finden, man braucht nur bei Google hasse das Wort nachzuschauen). Es hing an einem Knopf der Klimaanlage.
»Ach du lieber Himmel. Das ist ja peinlich.«
Gilpin wartete gespannt auf eine Erklärung.
»Äh, einmal haben Amy und ich … na ja, Sie haben ja ihren Brief gelesen.
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