Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
die Hände vors Gesicht. Ich gehe zu ihm und lege den Arm um ihn. Aber als er aufblickt, sind seine Augen trocken. Er ist ganz ruhig. Ich habe meinen Mann noch nie weinen sehen.
»Es ist zu viel für Go, jetzt auch noch das, wo mein Dad doch schon Alzheimer hat.«
»Alzheimer? Alzheimer? Seit wann?«
»Na ja, seit einer Weile. Zuerst haben sie gedacht, es ist eine Art von vorzeitiger Demenz. Aber anscheinend ist es mehr, schlimmer.«
Sofort schießt mir der Gedanke durch den Kopf: Wenn mein Mann nicht mal auf die Idee kommt, mir so etwas zu erzählen, stimmt mit uns etwas nicht, vielleicht etwas, was wir nie mehr in Ordnung bringen können. Manchmal habe ich das Gefühl, dass er sich vorgenommen hat, in einem Wettbewerb für Undurchschaubarkeit mitzumachen. »Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
»Ich rede nicht gern über meinen Dad.«
»Aber trotzdem …«
»Amy. Bitte.« Er sieht mich an, mit diesem Blick, als wäre ich total unvernünftig, und er ist sich dessen so sicher, dass ich mich auf einmal selbst frage, ob er womöglich recht hat.
»Jedenfalls hat Go gesagt, dass meine Mom Chemo braucht, und … das wird schlimm, echt total schlimm. Sie wird Hilfe brauchen.«
»Sollen wir jemanden suchen, der sie zu Hause pflegt? Eine Krankenschwester?«
»Sie hat keine Versicherung, die so was abdeckt.«
Er starrt mich an, die Arme verschränkt, und ich weiß genau, wozu er mich herausfordert: Ich soll anbieten, dass wir zahlen, aber wir können nicht zahlen, weil ich das Geld meinen Eltern gegeben habe.
»Okay, Babe«, sage ich schließlich. »Was willst du tun?«
Wir stehen einander gegenüber, ein Showdown, als wären wir zu einem Kampf angetreten, und keiner hätte mich informiert. Ich strecke den Arm nach Nick aus, und er starrt wortlos auf meine Hand.
»Wir müssen zu ihr ziehen.« Mit großen Augen funkelt er mich an. Dann schnippt er mit den Fingern, als müsste er etwas Klebriges loswerden. »Wir nehmen uns ein Jahr Zeit, und wir tun das Richtige. Wir haben beide keinen Job, wir haben kein Geld, nichts hält uns hier. Das musst sogar du zugeben.«
» Sogar ich?« Als hätte ich mich schon dagegen gewehrt. Ich spüre die Wut in mir aufsteigen, schlucke sie aber schnell hinunter.
»So machen wir es. Es ist einfach das Richtige. Wir helfen endlich auch mal meinen Eltern.«
Natürlich müssen wir es so machen, und wenn er mir das Problem nicht von vornherein so präsentiert hätte, als wäre ich seine Gegnerin, hätte ich das Gleiche gesagt. Aber er ist aus der Tür gekommen und hat mich sofort behandelt, als wäre ich ein Problem, mit dem er irgendwie fertig werden muss. Als ob ich die bittere Stimme wäre, die erstickt werden müsste.
Mein Mann ist der loyalste Mensch auf diesem Planeten, bis man an seine Grenzen stößt. Ich habe seine Augen buchstäblich einen Ton dunkler werden sehen, wenn er sich von einem Freund hintergangen fühlte, und dann wurde dieser Freund, selbst wenn es ein langjähriger, enger Freund war, nie wieder erwähnt. Und an diesem Morgen hat er mich angesehen, als wäre ich ein Gegenstand, von dem man sich zur Not trennen muss. Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter bei diesem Blick.
Im Handumdrehen ist es beschlossene Sache, mehr wird nicht diskutiert: Wir verlassen New York. Wir ziehen nach Missouri. In ein Haus am Fluss, dort werden wir leben. Es ist surreal, und ich bin kein Mensch, der das Wort surreal missbraucht.
Ich weiß, dass es okay sein wird. Aber es ist einfach so total anders als alles, was ich mir vorgestellt habe. So hätte ich mir mein Leben nie ausgemalt. Das muss ja nicht heißen, dass es schlecht ist, nur … Wenn ich eine Million Mal hätte raten sollen, wohin das Leben mich führen würde, diese Variante wäre mir nie in den Sinn gekommen. Und das beunruhigt mich schon.
Das Packen des Möbelwagens ist eine Mini-Tragödie für sich: Nick, wild entschlossen und mit schlechtem Gewissen, sein Mund ein dünner Strich, schuftet, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Stundenlang steht der Wagen da, blockiert mit blinkenden Warnleuchten den Verkehr in unserer kleinen Straße – Achtung, Achtung, Achtung –, während Nick treppauf, treppab läuft wie ein Ein-Mann-Fließband und Kisten mit Büchern, Kisten mit Küchengerät, Stühle, Couchtische schleppt. Auch unser antikes Sofa nehmen wir mit – unser breites altes Chesterfield-Sofa, das Dad gern als unser Haustier bezeichnet und das wir sehr lieben. Es ist das Letzte, was wir einpacken, ein
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