Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
getrunken.«
Shawna beobachtete mich. Sie wollte alles über Amy wissen, wollte mit meiner Frau, die sie hassen würde, in eine Kategorie gehören.
»Ich denke, sie hat wahrscheinlich das gleiche Problem«, sagte ich mit abgehackter Stimme.
Sie lächelte.
Geh weg, Shawna.
»Es ist schwierig, sich in einer neuen Stadt einzuleben«, sagte sie. »Je älter man ist, desto schwerer wird es, Freunde zu finden. Ist sie in Ihrem Alter?«
»Achtunddreißig.«
Auch das schien ihr zu gefallen.
Verpiss dich endlich.
»Kluger Mann, er mag ältere Frauen.«
Sie lachte und zog ein Handy aus ihrer riesigen hellgrünen Handtasche. »Na los«, sagte sie und legte den Arm um mich. »Dann brauchen wir jetzt mal ein schönes Chicken-Frito-Pie-Lächeln.«
Am liebsten hätte ich sie geohrfeigt – diese Wahrnehmungsschwäche, dieses Mädchengetue: Sie versuchte tatsächlich, sich ihr Ego vom Ehemann einer vermissten Frau aufpolstern zu lassen. Aber ich schluckte meine Wut hinunter, versuchte den Rückwärtsgang einzulegen und nett zu sein. Also lächelte ich roboterhaft, während sie ihr Gesicht an meine Wange drückte und mit ihrem Handy ein Foto von uns machte. Das künstliche Klicken weckte mich.
Sie drehte das Handy um, und ich sah unsere beiden sonnengebräunten Gesichter, grinsend, als hätten wir ein Date bei einem Baseball-Spiel. Als ich mein schmieriges Lächeln und meinen verschleierten Blick sah, dachte ich, ich würde diesen Kerl hassen.
Amy Elliott Dunne
15. September 2010
Tagebucheintrag
Ich schreibe von irgendwo in Pennsylvania. Südwestliche Ecke. Ein Motel am Highway. Unser Zimmer geht auf den Parkplatz, und wenn ich hinter den starren beigefarbenen Vorhängen hervorspähe, kann ich unter den Neonlampen Leute herumlaufen sehen. Es ist die Art von Unterkunft, wo man Leute ziellos herumlaufen sieht. Ich habe mal wieder die emotionale Taucherkrankheit. Zu viel ist passiert und so schnell, und jetzt bin ich in Südwest-Pennsylvania, und mein Ehemann macht ein trotziges Schläfchen zwischen den kleinen Chips- und Bonbon-Packungen, die er am Automaten auf dem Korridor gekauft hat. Abendessen. Er ist sauer auf mich, weil ich ein Spielverderber war. Zwar dachte ich eigentlich, dass ich gute Miene zum bösen Spiel gemacht habe – hurra, ein neues Abenteuer! –, aber anscheinend nicht überzeugend genug.
Rückblickend war es, als hätten wir darauf gewartet, dass etwas passiert. Als säßen Nick und ich unter einer riesigen schall- und luftdichten Käseglocke, aber dann fiel die Käseglocke um, und – schon gab es etwas zu tun.
Vor zwei Wochen befanden wir uns in unserem üblichen Arbeitslosenzustand: nur teilweise bekleidet, benommen von der Langeweile, waren wir dabei, unser schweigsames Frühstück zu uns zu nehmen, das wir in die Länge zogen und dabei jedes Wort der Zeitung lasen. Sogar die Auto-Beilage.
Um zehn Uhr vormittags klingelte Nicks Handy, und an seiner Stimme erkannte ich, dass es Go war. Wenn er mit ihr spricht, klingt er spritzig, jungenhaft. So hat er früher auch bei mir geklungen.
Er geht also ins Schlafzimmer, schließt die Tür hinter sich, und da stehe ich nun mit meinen beiden Tellern, auf denen frisch zubereitete Eggs Benedict wabbeln. Ich platziere seinen Teller auf den Tisch, setze mich gegenüber und überlege, ob ich mit dem Essen auf ihn warten soll. Wenn ich am Telefon wäre, würde ich, glaube ich, noch mal rauskommen und ihm sagen, er solle ruhig anfangen, oder mit dem Finger signalisieren: Dauert nur eine Minute . Ich würde wahrnehmen, dass die andere Person, nämlich mein Ehemann, allein in der Küche sitzt, mit zwei Tellern Eggs Benedict vor sich. Aber gleich fühle ich mich schlecht, weil ich so was gedacht habe. Denn schon nach kurzem höre ich besorgtes Murmeln, beunruhigte Ausrufe und sanfte Beschwichtigungen durch die Tür, und ich beginne mich zu fragen, ob Go womöglich mal wieder Jungsprobleme hat. Go hat eine Menge Trennungen hinter sich. Sogar bei denjenigen, die von ihr ausgehen, muss Nick bei ihr Händchen halten und sie trösten.
Also mache ich mein übliches Die-arme-Go- Gesicht, als er aus dem Schlafzimmer kommt. Natürlich sind die Eier auf seinem Teller inzwischen hart und trocken. Als ich ihn sehe, weiß ich sofort, dass es nicht einfach nur ein Go-Problem ist.
»Meine Mom«, beginnt er und setzt sich. »Scheiße. Mom hat Krebs. Viertes Stadium, das Zeug hat sich auf die Leber und die Knochen ausgebreitet. Was schlimm ist, und …«
Er schlägt
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