Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
sie war dreiundzwanzig, natürlich fühlte sie sich jung an –, aber in diesem Augenblick wurde mir plötzlich klar, wie grotesk jung sie wirklich war, wie unverantwortlich, katastrophal jung. Ruinös jung. Aus ihrem Mund den Namen meiner Frau zu hören, hatte mich schon immer irritiert. Und das passierte oft. Andie redete gern über Amy, als wäre Amy die Heldin einer Seifenoper im Abendprogramm. Andie machte Amy nicht zum Feind, sie machte sie zu einer Rolle. Die ganze Zeit stellte sie Fragen, über unser gemeinsames Leben, über Amy: Was habt ihr in New York zusammen gemacht, ich meine, zum Beispiel am Wochenende? Als ich ihr erzählte, dass wir manchmal in die Oper gegangen waren, formte ihr Mund ein perfektes O. Ihr seid in die Oper gegangen? Was hatte Amy da an? Was Bodenlanges? Und eine Stola oder einen Pelz? Und ihr Schmuck? Und ihre Haare? Außerdem: Wie waren Amys Freunde? Worüber unterhielten wir uns? Wie war Amy so, also, wie war sie wirklich? War sie wie das Mädchen in den Büchern – also perfekt? Amy war Andies liebstes Gutenachtgeschichtenthema.
»Schätzchen, meine Schwester ist nebenan. Du solltest nicht hier sein. Gott, ich möchte dich hier haben, aber du hättest echt nicht kommen dürfen, Baby. Bis wir wissen, womit wir es zu tun haben.«
DU BIST BRILLANT DU BIST WITZIG DU BIST WARMHERZIG. Und jetzt küss mich!
Aber Andie blieb auf meinem Schoß sitzen, die Brüste vorgestreckt, und in der Klimaanlagenluft richteten sich ihre Brustwarzen auf.
»Baby, gerade haben wir es damit zu tun, dass ich wissen muss, ob mit uns alles okay ist. Das ist alles, was ich brauche.« Sie presste sich an mich, warm und verführerisch. »Das ist alles, was ich brauche. Bitte, Nick, ich bin am Ausflippen. Ich kenne dich, ich weiß, du willst jetzt nicht darüber sprechen, und das ist in Ordnung. Aber ich brauche dich … ich brauche dich bei mir.«
Und ich wollte sie auch küssen, so, wie ich sie beim allerersten Mal geküsst hatte: Unsere Zähne waren zusammengestoßen, ihr Gesicht zu meinem geneigt, ihre Haare hatten mich am Arm gekitzelt, ein nasser, zungenbetonter Kuss, und ich dachte an nichts anderes als an diesen Kuss, weil es gefährlich gewesen wäre, an irgendetwas anderes zu denken als daran, wie gut sich das anfühlte. Was mich hinderte, sie jetzt ins Schlafzimmer zu schleppen, war nicht, dass es sich so falsch anfühlte – es hatte die ganze Zeit schon alle möglichen Schattierungen von falsch angenommen –, sondern weil es wirklich gefährlich war.
Und wegen Amy. Endlich war sie da, diese Stimme, die sich ein halbes Jahrzehnt in meinem Ohr eingenistet hatte, die Stimme meiner Frau, aber jetzt tadelte sie mich nicht mehr, sondern war wieder liebevoll geworden. Furchtbar, dass drei Briefchen von meiner Frau es schafften, mir dieses Gefühl zu bereiten, klamm und sentimental.
Ich hatte absolut kein Recht, sentimental zu werden.
Andie ließ nicht locker, und ich fragte mich unwillkürlich, ob die Polizei wohl Gos Haus überwachte und ob ich am besten damit rechnen sollte, dass es gleich an der Tür klopfte. Schließlich habe ich eine sehr junge, sehr hübsche Geliebte.
Meine Mutter sagte ihren Kindern immer: Wenn ihr etwas tun wollt und nicht sicher seid, ob es eine gute Idee ist, dann stellt euch vor, dass es in der Zeitung steht und alle Welt es lesen kann.
Nick Dunne, ein ehemaliger Journalist, dessen Stolz noch immer gekränkt ist von seiner Entlassung im Jahr 2010, erklärte sich bereit, am North Carthage Junior College einen Journalismus-Kurs zu geben. Der verheiratete Mann mittleren Alters nutzte seine Position prompt dazu aus, mit einer seiner naiven jungen Schülerinnen eine heiße sexgeile Affäre anzufangen.
Ich war die Verkörperung der schlimmsten Angst jedes schreibenden Menschen: ein Klischee.
Zu eurem Vergnügen möchte ich noch weitere Klischees hinzufügen: Es ist schrittweise passiert. Ich wollte niemandem weh tun. Ich bin tiefer reingerutscht, als ich es erwartet habe. Aber es war mehr als eine Affäre. Es war mehr als eine kleine Selbstbestätigung. Ich liebe Andie. Ganz ehrlich.
An dem Kurs, den ich unterrichtete – »Wie man bei einer Zeitschrift eine Karriere startet« –, nahmen vierzehn Mädchen von sehr unterschiedlich ausgeprägtem Talent teil. Ich würde Frauen sagen, aber ich glaube, Mädchen ist sachlich korrekter. Alle wünschten sich einen Job bei einer Zeitschrift, keine legte Wert darauf, ein mit Druckerschwärze beschmiertes Zeitungsmädel zu
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