Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)

geschrieben«, sagte Desi. Er hatte den gleichen Tonfall wie seine Mutter, der klang, als wäre es selbstverständlich, dass man alles, was er sagte, unbedingt hören wollte. »Das war unser Ding. Ich finde E-Mails so … billig. Niemand hebt eine E-Mail auf, denn E-Mails sind von Natur aus unpersönlich. Überhaupt mache ich mir Sorgen um die Nachwelt. All die großen Liebesbriefe – von Simone de Beauvoir an Sartre, von Samuel Clemens an seine Frau Olivia –, ich weiß nicht, aber ich denke oft daran, was da alles verlorengeht …«
    »Hast du alle meine Briefe aufbewahrt?«, unterbrach ihn Jacqueline. Sie stand am Kamin und blickte auf uns herab, einen langen, sehnigen Arm auf den Kaminsims gelegt.
    »Selbstverständlich.«
    Mit einem eleganten Achselzucken wandte sie sich mir zu. »Ich war einfach neugierig.«
    Ich fröstelte und wollte mich schon dem Kamin nähern, um mich zu wärmen, als mir einfiel, dass Juli war. »Es scheint mir eine ziemlich seltsame Anhänglichkeit zu sein, die Sie da in all den Jahren aufrechterhalten haben«, stellte ich fest. »Ich meine, vor allem, wo sie doch nie zurückgeschrieben hat.«
    Desis Augen blitzten. »Oh«, sagte er nur, und es klang wie jemand, der ein Überraschungsfeuerwerk entdeckt hat.
    »Es kommt mir sonderbar vor, Nick, dass Sie hergekommen sind und Desi nach seiner Beziehung – oder den Mangel an Beziehung – zu Ihrer Frau befragen«, sagte Jacqueline Collings. »Stehen Sie und Amy sich nicht nahe? Ich schwöre Ihnen: Desi hat seit Jahrzehnten keinen echten Kontakt mehr zu Amy. Seit Jahrzehnten.«
    »Ich wollte mich nur vergewissern, Jacqueline. Manchmal muss man etwas mit eigenen Augen sehen.«
    Jacqueline begann langsam zur Tür zu gehen, drehte sich um und gab mir mit einer kleinen Kopfbewegung zu verstehen, dass es Zeit war zu gehen.
    »Wie unerschrocken von Ihnen, Nick. Do-it-yourself, was? Bauen Sie auch Ihre Terrasse selbst?« Sie lachte und öffnete die Tür für mich. Ich starrte auf ihre Halsbeuge und fragte mich, warum sie keine Perlen trug. Frauen wie sie haben doch immer eine dicke Perlenkette um den Hals, die klickt und klackt. Aber ich konnte sie riechen, ein weiblicher Geruch, vaginal und seltsam lüstern.
    »Es war interessant, Sie kennenzulernen, Nick«, sagte sie. »Hoffen wir, dass Amy wohlbehalten wieder nach Hause kommt. Dann also bis zum nächsten Mal – und wenn Sie wieder mit Desi in Kontakt treten wollen …«
    Sie drückte mir eine dicke cremefarbene Karte in die Hand. »Rufen Sie bitte unseren Anwalt an.«

Amy Elliott Dunne
    17. August 2011
    Tagebucheintrag
    Ich weiß, das klingt nach bescheuertem Teenager-Mädchen, aber ich habe Nicks Stimmungen nachverfolgt. Mir gegenüber. Nur um sicherzugehen, dass ich nicht verrückt bin. Ich habe einen Kalender, und an jedem Tag, an dem ich den Eindruck habe, dass Nick mich wieder liebt, male ich ein Herz hinein, und wenn nicht, ein schwarzes Viereck. Das letzte Jahr waren es fast nur schwarze Vierecke.
    Aber jetzt? Neun Tage Herzen. Nacheinander. Vielleicht musste er nur erfahren, wie sehr ich ihn liebe und wie unglücklich ich geworden bin. Vielleicht hat er einen Sinneswandel durchgemacht.
    Test: Nachdem dein Ehemann dich über ein Jahr äußerst kühl behandelt hat, scheint er dich auf einmal wieder zu lieben. Wie reagierst du?
Du jammerst lang und breit darüber, wie sehr dich das verletzt hat, damit er sich noch ein bisschen mehr entschuldigen kann.
Du zeigst ihm noch eine Weile die kalte Schulter – damit er seine Lektion lernt.
Du quetschst ihn nicht aus, warum er sich so verändert hat, denn du weißt, dass er es dir erzählen wird, wenn die Zeit reif dafür ist. Bis dahin überhäufst du ihn mit Zuneigung, damit er sich sicher und geliebt fühlt, denn so funktioniert diese Ehegeschichte.
Du verlangst, dass er dir erklärt, was falsch gelaufen ist, bringst ihn dazu, dass er redet und redet, um deine eigenen Neurosen zu beruhigen.
    Antwort: C

    Es ist August, so prächtig, dass ich keine schwarzen Vierecke mehr ertragen könnte, aber nein, ich male nur noch Herzen. Nick benimmt sich wie ein Ehemann, süß und liebevoll und verspielt. Er bestellt Schokolade für mich aus meinem Lieblingsladen in New York, und dazu schreibt er ein albernes Gedicht für mich. Sogar eine Art Limerick:
    In Manhattan, New York, da kannt ich eine Frau
    Die schlief nur auf Seide, das weiß ich genau
    Ihr Mann aber schliddert’ und rutschte drauf rum
    Bis zusammen sie stießen mit großem