Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
Schluss gemacht hat«, entgegnete ich. »Und Sie wollten Amy nicht in Ruhe lassen.«
»Oh, wahrscheinlich hab ich ihr schon nachgetrauert. Aber das ist doch nicht ungewöhnlich.«
»Sie meinen, ein Selbstmordversuch in Amys Wohnheimzimmer ist nicht ungewöhnlich?«
Er zuckte mit dem Kopf, kniff die Augen zusammen und wollte antworten, aber dann sah er auf seine Hände hinunter. »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Nick«, sagte er schließlich.
»Ich spreche davon, dass Sie meine Frau belästigt haben. Auf der Highschool. Und jetzt wieder.«
»Ach, darum geht es also?« Er lachte wieder. »Guter Gott, ich dachte, Sie wollen Geld für einen Finderlohn auftreiben oder so. Wofür ich übrigens gern etwas spenden würde. Wie gesagt, ich habe immer das Beste für Amy gewollt. Ob ich sie liebe? Nein. Ich kenne sie doch gar nicht mehr, jedenfalls nicht richtig. Gelegentlich schreiben wir uns Briefe. Aber es ist interessant, dass Sie gekommen sind. Sie bringen alles durcheinander. Denn ich muss Ihnen sagen, Nick, dass Sie im Fernsehen und jetzt auch hier, nicht aussehen, als wären Sie ein trauernder, besorgter Ehemann, Himmel, nein, ganz im Gegenteil. Sie wirken eher … arrogant. Übrigens hat sich die Polizei schon mit mir unterhalten, vermutlich habe ich das Ihnen zu verdanken. Oder Amys Eltern. Seltsam, dass Sie es nicht wussten – man würde doch denken, dass sie dem Ehemann alles erzählen, jedenfalls, wenn kein Verdacht gegen ihn besteht.«
Mein Magen zog sich zusammen. »Ich bin hier, weil ich mit eigenen Augen Ihr Gesicht sehen wollte, wenn Sie über Amy sprechen«, sagte ich. »Und ich muss Ihnen sagen, es beunruhigt mich. Sie wirken dann nämlich ziemlich … schwärmerisch.«
»Wenigstens einer von uns muss das ja«, erwiderte Desi, erneut sehr nüchtern.
»Schatz?«, ertönte in diesem Moment eine Stimme von hinten, und ein weiteres Paar teurer Schuhe näherte sich klickend dem Wohnzimmer. »Was zum Kuckuck …«
Die Frau sah aus wie eine verschwommene Version von Amy, Amy in einem dampfbeschlagenen Spiegel – gleicher Farbton, sehr ähnliche Züge, aber ein Vierteljahrhundert älter, die Haut, das Gesicht, alles etwas abgetragen, wie ein sehr feiner Stoff. Doch sie war noch immer hinreißend, eine Frau, die beschlossen hatte, in Würde zu altern. Ihre Figur erinnerte mich an eine Art Origami-Kreation: extrem spitze Ellbogen, ein kleiderbügelartiges Schlüsselbein. Sie trug ein chinablaues Etuikleid und hatte die gleiche Anziehungskraft wie Amy: Wenn sie einen Raum betrat, drehte man unwillkürlich den Kopf in ihre Richtung. Sie musterte mich mit einem ziemlich raubtierhaften Blick.
»Hallo, ich bin Jacqueline Collings.«
»Mutter, das ist Amys Mann, Nick«, stellte Desi mich vor.
»Amy.« Wieder lächelte die Frau. Sie hatte eine Stimme wie aus einem Brunnen, tief und seltsam nachhallend. »Wir haben uns hier sehr für diese Geschichte interessiert. Ja, sehr.« Mit kühlem Blick wandte sie sich an ihren Sohn. »Wir können einfach nicht aufhören, an die grandiose Amy Elliott zu denken, nicht wahr?«
»Sie heißt jetzt Amy Dunne«, korrigierte ich.
»Natürlich«, stimmte Jacqueline mir sofort zu. »Was Sie momentan durchmachen, tut mir sehr leid, Nick.« Sie starrte mich einen Augenblick lang an. »Entschuldigung, ich muss … ich habe nicht erwartet, dass Amy mit so einem … so einem typisch amerikanischen Jungen zusammen ist.« Sie schien weder mit mir noch mit Desi zu sprechen. »Guter Gott, er hat ja sogar ein Grübchen im Kinn.«
»Ich bin gekommen, weil ich fragen wollte, ob Sie vielleicht irgendwelche Informationen haben«, erklärte ich. »Ich weiß, dass Ihr Sohn meiner Frau im Lauf der Jahre eine ganze Menge Briefe geschrieben hat.«
»Oh, die Briefe«, wiederholte Jacqueline mit einem verärgerten Lächeln. »Eine sehr interessante Art, seine Zeit zu verbringen, finden Sie nicht auch?«
»Ach, Amy hat Ihnen davon erzählt?«, fragte Desi. »Das überrascht mich.«
»Nein, hat sie nicht«, entgegnete ich und drehte mich zu ihm um. »Sie hat die Briefe immer ungeöffnet in den Mülleimer geworfen.«
»Alle? Immer? Woher wissen Sie das?«, fragte Desi, noch immer lächelnd.
»Einmal hab ich im Müll gewühlt und einen gelesen.« Ich wandte mich wieder Jacqueline zu. »Nur um zu sehen, was genau da vor sich ging.«
»Gut gemacht«, sagte Jacqueline, schnurrend wie eine Katze. »Von meinem Ehemann würde ich nichts anderes erwarten.«
»Amy und ich haben uns immer
Weitere Kostenlose Bücher