Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
Propellermaschinen, die über dem Mississippi Schleifen flogen, über Dampfschiffe schwirrten und Touristen erschreckten – waren es noch drei Tage, und die Übungsflüge waren in vollem Gang, als Gilpin und Rhonda eintrudelten. Zum ersten Mal seit dem Tag, an dem es passiert war, befanden wir uns alle wieder in meinem Wohnzimmer.
Mein Haus lag direkt auf der Flugroute, und der Lärm war etwas zwischen Pressluftbohrer und Lawine. Meine Cop-Kumpel und ich versuchten, unser Gespräch in die kurzen ruhigen Abstände zu zwängen. Rhonda wirkte noch vogelartiger als gewöhnlich – bevorzugte erst das eine, dann das andere Bein, während ihr Kopf ständig in Bewegung blieb und ihr Blick ruhelos über alle möglichen Gegenstände im Raum wanderte –, eine Elster, die Polstermaterial für ihr Nest sucht. Gilpin blieb stets in ihrer Nähe, kaute auf der Unterlippe, klopfte mit der Fußspitze auf den Boden. Sogar das Zimmer machte einen unruhigen Eindruck: Die Nachmittagssonne beleuchtete ein atomisches Gestöber von Staubpartikeln. Mit einem scheußlichen Geräusch, als würde der Himmel zerrissen, schoss der nächste Jet über das Haus.
»Okay, wir haben ein paar Sachen zu besprechen«, begann Rhonda, als es wieder still wurde. Sie und Gilpin setzten sich, als hätten sie beide plötzlich beschlossen, eine Weile zu bleiben. »Ein paar Dinge, die wir klären müssen, und ein paar Informationen für Sie. Alles Routine. Und wie immer – wenn Sie einen Anwalt möchten …«
Aber ich wusste von meinen Fernsehsendungen und Kinofilmen, dass nur Typen, die schuldig waren, einen Anwalt haben wollten. Echte, trauernde, besorgte, unschuldige Ehemänner wollten keinen.
»Ich brauche keinen Anwalt, danke«, erwiderte ich deshalb. »Ich habe sogar auch ein paar Informationen für Sie. Über Amys ehemaligen Stalker, den Typen, mit dem sie in der Highschool mal zusammen war.«
»Desi – äh, Collins«, begann Gilpin.
»Collings. Ich weiß, Sie haben schon mit ihm gesprochen, ich weiß auch, dass Sie sich aus irgendeinem Grund nicht sonderlich für ihn interessieren, deshalb bin ich heute selbst zu ihm gefahren. Um mich zu vergewissern, dass er … dass er okay ist. Aber auf mich macht er nicht den Eindruck, als wäre er okay. Meiner Meinung nach sollten Sie ihn sich genauer anschauen. Sehr genau. Ich meine, er zieht nach St. Louis …«
»Er hat schon drei Jahre in St. Louis gelebt, bevor Sie alle hierher zurückgezogen sind«, wandte Gilpin ein.
»Gut, aber jetzt ist er in St. Louis. Leicht zu erreichen. Amy hat eine Waffe gekauft, weil sie Angst hatte …«
»Desi ist okay, Nick. Netter Kerl«, unterbrach Rhonda. »Finden Sie nicht? Er erinnert mich ein bisschen an Sie. Echter Goldjunge, Nesthäkchen der Familie.«
»Ich hab eine Zwillingsschwester. Ich bin kein Nesthäkchen. Genau genommen bin ich sogar drei Minuten älter als meine Schwester.«
Rhonda wollte mich ärgern, das war klar, sie wollte sehen, ob sie mich auf die Palme bringen konnte, und obwohl ich das wusste, konnte ich nicht verhindern, dass ich jedes Mal, wenn sie mich als Nesthäkchen bezeichnete, stinksauer wurde.
»Wie dem auch sei«, unterbrach Gilpin. »Sowohl er als auch seine Mutter bestreiten, dass er Amy jemals belästigt oder verfolgt hat. Ihren Angaben zufolge hatte er in den letzten Jahren kaum Kontakt zu Amy, abgesehen von einem gelegentlichen Briefchen.«
»Da würde Ihnen meine Frau etwas ganz anderes erzählen. Desi hat ihr jahrelang regelmäßig geschrieben – und dann taucht er bei der Suche nach ihr auf, Rhonda. Wussten Sie das überhaupt? Gleich am ersten Tag war er hier. Sie haben ja selbst gesagt, man muss die Augen offenhalten, falls sich irgendwelche seltsamen Kerle in die Ermittlungen einzuklinken versuchen …«
»Desi Collings gehört definitiv nicht zu den Verdächtigen«, fiel sie mir ins Wort und hob die Hand.
»Aber …«
»Desi Collings gehört nicht zu den Verdächtigen«, wiederholte sie.
Das war ein Schlag, und um ein Haar hätte ich ihr vorgeworfen, dass sie sich von Ellen Abbott beeinflussen ließ. Aber dann fand ich es doch besser, Ellen Abbott nicht zu erwähnen.
»Okay, was ist denn mit all diesen … diesen Typen , die unsere Hotline verstopft haben?« Ich ging hinüber und packte das Blatt mit den Namen und Nummern, die ich achtlos auf den Esstisch geworfen hatte, und begann Namen vorzulesen. »In die Ermittlungen eingemischt haben sich: David Samson, Murphy Clark – das sind ehemalige
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