GONE Hunger
Taylor das Leben gerettet. Und sie davor bewahrt, den Verstand zu verlieren. Zu Beginn der FAYZ hatte Caine in seinem Machtrausch beschlossen, alle unkooperativen Freaks in Coates unter seine Kontrolle zu bringen. Und nachdem er dahintergekommen war, dass die Kräfte meist von den Händen ausgingen, hatten er und Drake einen teuflischen Einfall gehabt.
Sie hatten das Verfahren »Gipsen« genannt. Dabei wurden die Hände der Freaks in einen Zementblock einbetoniert. Die Blöcke wogen über zwanzig Kilo. Allein das Gewicht hatte sie absolut hilflos gemacht. Anfangs hatten Caines Lakaien sie noch gefüttert und ihnen wie Hunden Fressnäpfe hingestellt. Taylor und die anderen, zu denen auch Brianna und Dekka gehört hatten, hatten sich wie Tiere auf die Näpfe gestürzt und die Cornflakes mit der Milch aufgeschleckt.
Kurz darauf war Caine nach Perdido Beach gefahren, um dort die Herrschaft an sich zu reißen. Zwischen den »loyalen« Freaks, die er in Coates zurückgelassen hatte, waren Machtkämpfe ausgebrochen.
Die Fütterungen waren immer seltener geworden und irgendwann hatten sie ganz aufgehört. Taylor hatte das auf den Schotterwegen wachsende Gras gefressen.
Sam war der Grund, dass sie noch lebte.
Sie schuldete ihm alles. Sogar das Leben, das er ihr zurückgegeben hatte, wie ihr jetzt mit bangem Herzen bewusst wurde.
»Bin gleich zurück«, sagte sie.
Sie verschwand, bevor Sam oder die anderen sie aufhalten konnten. Nur bis ans Ende der Straße, damit sie das Tor sehen konnte. Es befand sich fünfzig Meter von ihr entfernt, eine Distanz, die sie mit ihrer Fähigkeit problemlos überwinden konnte. Das dahinterliegende Kraftwerk war hell erleuchtet.
Sie würden mit ihr rechnen, davon ausgehen, dass sie sich entweder in das Wachhaus oder direkt in das Kraftwerk teleportierte. Den Gefallen würde sie ihnen aber nicht tun.
Einen Sekundenbruchteil später befand sie sich auf dem Steilhang oberhalb des Wachhauses, glitt auf dem abschüssigen Gelände aus, fing sich gleich wieder und blickte sich rasch um. Als niemand zu sehen war, beamte sie sich in den Schatten eines am Tor geparkten Lieferwagens.
»Ah!«
Taylor hatte eine schlechte Wahl getroffen.
Hinter dem Wagen hatten sich zwei Kids versteckt, die zu Drakes Schlägertruppe gehörten und bewaffnet waren. Sie lagen dort im Hinterhalt. Taylor war buchstäblich vom Himmel gefallen und stand auf einmal direkt neben ihnen.
Die beiden starrten sie an, die Gewehre im Anschlag, aber vor Schreck wie gelähmt.
»Zu langsam«, sagte Taylor.
Als sie ihre Gewehre schreiend herumrissen, war sie längst wieder weg.
Sie tauchte drei Schritte von Sam entfernt wieder auf, der immer noch die Straße hinunterstarrte.
»Taylor, lass den Blödsinn.« Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie fort gewesen war.
Sie lachte erleichtert. »Zwei Typen warten mit Gewehren hinter einem großen Lieferwagen, gleich hinter dem Tor, linker Hand. Ich glaube, im Wachhaus ist niemand. Es ist ein Hinterhalt. Wenn ihr euch dem Wachhaus nähern würdet, könnten sie euch einfach abknallen. Sie haben mich gesehen.«
Sam sah sie verblüfft an.
»Du bis t …?«
»Ja.«
»Du solltest doch nich t …«
»Konnte nicht anders. Noch was: Brianna habe ich nirgends entdeckt.«
»Alles einsteigen!«, befahl Sam. Er sprang in den Jeep. »Dekka?«
»Alles klar.« Dekka setzte sich in Bewegung und rannte zu ihrem Fahrzeug.
Edilio rief seinen Leuten zu, dass sie jetzt losfuhren.
»Danke, Taylor«, sagte Sam über seine Schulter hinweg.
Die Anerkennung machte Taylor trotz ihrer Lage glücklich. »Ich könnt e …«, setzte sie an.
»Nein«, unterbrach er sie. »Und Kopf runter!« An Edilio gewandt sagte er: »Direkt auf das Tor zu, aber bleib knapp davor stehen. Wir müssen schnell sein. Sie dürfen keine Zeit haben, sich etwas zu überlegen. Aber denk daran, irgendwo ist noch einer. Der, den Taylor nicht gesehen hat.«
»Ja«, antwortete Edilio. »Darauf sind wir vorbereitet.«
Taylor fragte sich, wovon die beiden redeten, doch für Fragen war jetzt keine Zeit.
Der Jeep schlitterte um die Kurve und bretterte die Straße zum Tor hinunter. Dort angekommen, trat Edilio fest auf die Bremse. Dekkas SUV wich ihm gerade noch aus. Das dritte Fahrzeug folgte etwas langsamer.
Sam sprang heraus. Dekka war aus ihrem Wagen draußen, bevor er ganz zum Stillstand gekommen war.
Die beiden stürmten den Hang hinunter.
Taylor hörte, wie Sam Dekka seine Anweisungen zurief. Sekunden später hob sich der
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