GONE Hunger
sah, dass er bereits bis zu den Knöcheln im Gehweg steckte.
»Hört endlich auf, mich wütend zu machen!«, rief er verzweifelt.
»Hört endlich auf, mich wütend zu machen!«, äffte Zil ihn in einem spöttischen Singsang nach.
»Mann, er versinkt«, staunte einer der Jungs.
Ducks Unterschenkel waren schon zur Hälfte eingesunken. Er war gefangen.
»Komm schon, Mann!«, flehte er Zil an. »Warum lasst ihr mich nicht in Frieden?«
»Weil du ein Untermensch bist, ein mutierter Frea k – und ein Trottel.«
»Ihr wollt doch Hunter, oder?«, fragte Duck. »Er ist da drin, hinter dem Gerümpel.«
»Ach ja?« Zil nickte seiner Gang zu und sie kletterten über den Schutthaufen, um ihr eigentliches Opfer aufzumischen. Einer von ihnen zerschlug mit seinem Schläger den Rest der bunten Glasscheibe.
Duck holte tief Luft. »Denk an was Schönes, denk an was Schönes«, flüsterte er vor sich hin. Er sank nicht mehr, aber er steckte fest. Er drehte seinen Fuß hin und her und schaffte es, ihn herauszuziehen, allerdings blieb der Schuh in der Erde. Beim zweiten ging es schon leichter und er behielt auch den Schuh an.
Duck rannte los.
»Hey, der haut ab!«
»Er hat gelogen, Hunter ist nicht hier!«
»Schnappt ihn euch!«
Duck rannte, so schnell er konnte, verzweifelt darum bemüht, die Wut nicht zuzulassen: »Glücklich, so glücklich, ha, ha, ha!« Sein Mund war zu einem Grinsen verzerrt.
Er schaffte es über die Straße und war Zils Mob sogar ein gutes Stück voraus, aber nicht weit genug, um sein Haus zu erreichen und die Tür zu verriegeln, bevor sie ihn eingeholt hätten.
»Hilfe! So helft mir doch!«, schrie er.
Sein nächster Schritt sprengte den Bordstein.
Beim dritten versank er im Gehsteig und fiel hin, prallte mit dem Kinn auf den Beton und bohrte sich knirschend hindurch wie ein Steinbohrer durch Glas. Er fiel wieder in die Erde, nur diesmal mit dem Gesicht voran.
Zil und die anderen hatten ihn eingeholt. Ein Schlag traf seinen Rücken. Ein weiterer seinen Hintern. Es tat nicht weh. Es fühlte sich an, als prügelten sie nicht mit Holzschlägern, sondern mit Strohhalmen auf ihn ein. Dann erwischten sie ihn nicht mehr, weil er durch den Zement gefallen war.
»Ein Zombie weniger!«, hörte er Zil krähen. Und dann: »Mann, was ist denn jetzt los?«
»Die Lichter sind aus«, sagte ein anderer verängstigt.
Jemand fluchte und gleich darauf war nur noch das Tappen rennender Füße zu hören.
Duck sank immer weiter in die Tiefe.
Der kleine Pete lag endlich im Bett. Astrid war erschöpft, sie machte sich große Sorgen und ihr Auge tat weh. An der Stelle, wo sie den Baseballschläger abbekommen hatte, hatte sich ein scheußlicher blaugelber Bluterguss gebildet. Der Eisbeutel hatte auch nicht viel geholfen.
Es war mitten in der Nacht, sie war todmüde, aber an Schlaf war nicht zu denken. Noch nicht. Erst wenn sie wusste, dass mit Sam alles in Ordnung war. Sie wünschte, sie hätte ihn zum Kraftwerk begleiten können. Auch wenn sie keine große Hilfe gewesen wäre, wüsste sie jetzt wenigstens Bescheid.
Sam war innerhalb der letzten drei Monate ein wichtiger Teil ihres Lebens geworden. Die Vorstellung, ihn womöglich zu verlieren, war für sie unerträglich.
Auf der Straße rannte jemand. Sie verspannte sich und lauschte, rechnete jeden Moment mit polternden Schritten auf ihrer Veranda, es kam aber niemand.
War das Hunter? Oder lief Zil immer noch überall herum und hetzte die Leute auf? Als sie durchs Fenster blickte, lag die Straße still und verlassen da.
Hoffentlich war es Hunter gelungen, sich irgendwo zu verstecken. Sie mussten sich gut überlegen, wie sie mit der Situation am besten umgingen. Das Ganze drohte zu eskalieren. Aber heute Nacht würden sie keine Lösung mehr finden.
Wenn sie nur wüsste, was Sam gerade tat. War es ihm gelungen, Caine aufzuhalten?
War er verletzt?
Sie wischte sich seufzend die Tränen ab. Da sie ohnehin nicht schlafen konnte, setzte sie sich an den Computer. Beim Berühren der Tastatur merkte sie, wie sehr ihre Hände zitterten. Sie musste sich ablenken. Irgendwas Nützliches tun, um nicht ständig an Sam zu denken.
Astrid klickte auf den Mutationsordner und öffnete ihre Sammlung an bizarren Fotos: Schlangen mit winzigen Flügeln, Möwen mit Raubvogelkrallen, die Würmer.
Dann machte sie ein Word-Dokument auf und begann zu tippen.
Eine Gemeinsamkeit dürfte darin bestehen, dass alle Wese n – Menschen wie Tier e – durch die Mutationen gefährlicher
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