GONE Hunger
werden. Die Mutationen nehmen fast immer die Form von Waffen an.
Sie dachte kurz darüber nach. Das stimmte nicht ganz. Manche Kids hatten Kräfte entwickelt, die auf den ersten Blick völlig nutzlos schienen. In Wirklichkeit war es Sam, der sich mehr Mutanten mit, wie er es nannte, »ernsthaften« Fähigkeiten wünschte. Und dann war da noch Lana, deren Kraft eindeutig keine Waffe war.
Waffen oder Schutzmechanismen. Es kann natürlich auch sein, dass ich noch nicht genug Mutationen beobachtet habe. Es würde mich nicht wundern, wenn sich herausstellen sollte, dass die Mutationen vor allem Überlebensmechanismen darstellen. Das entspräche auch dem Sinn und Zweck der Evolution: zu überleben.
Aber war die FAYZ überhaupt Teil der Evolution? Die Evolution war im Grunde nichts anderes als eine Aneinanderreihung von Erfolgen und Fehlschlägen, ein über Millionen von Jahren stattfindender Prozess und kein plötzliches Phänomen radikaler Veränderungen. Sie baute auf der bestehenden DNA auf.
Was in der FAYZ geschah, widersprach dieser natürlichen Entwicklung. Das Phänomen Geschwindigkeit ließe sich genetisch vielleicht noch irgendwie herleiten, aber doch nicht die Teleportationen, die Telekinese oder die Fähigkeit, die Schwerkraft aufzuheben. Und für Licht, das aus den Handflächen schoss, gab es schon gar keine genetische Erklärung.
Tatsache ist, dass ich nicht
Weiter kam sie nicht, denn auf einmal war der Bildschirm schwarz und das Zimmer lag im Dunkeln.
Astrid stand auf und ging zum Fenster. Draußen herrschte vollkommene Finsternis. Weit und breit war kein einziges Licht zu sehen.
Sie trat auf die Veranda. Alles stockdunkel. Ein paar Häuser weiter war ein aufgebrachtes »Hey!« zu hören.
Caine hatte das Kraftwerk eingenommen.
Sam hatte versagt.
Astrid unterdrückte ein Schluchzen. Wenn Sam verletzt war oder soga r …
Mit rasendem Herzen stolperte sie in die Küche, zog eine Schublade auf und durchwühlte sie nach einer Kerze. Als sie sie am Herd anzünden wollte, fiel ihr ein, dass das Gas einen elektrischen Funken benötigte, um sich zu entzünden.
Streichhölzer. Irgendwo mussten doch welche sein. Aber wie sollte sie die Schachtel ohne Licht finden?
Astrid tastete sich zur Treppe, eilte nach oben und ging in Petes Zimmer. Der Gameboy lag wie immer neben seinem Bett.
Sie kehrte mit dem Gameboy in die Küche zurück und durchsuchte mit dem leuchtenden Bildschirm die Schublade. Streichhölzer fand sie nicht, dafür ein gelbes Feuerzeug, mit dem sie die Kerze anzündete.
Während sie mit der Suche beschäftigt gewesen war, hatte sie nicht an Sam gedacht. Umso heftiger kehrte die Angst um ihn zurück. Sam war losgefahren, um Caine aufzuhalten. Es war ihm nicht gelungen. Jetzt zählte nur noch eine Frage: War Sam noch am Leben?
Sechsundzwanzig
17 Stunden, 49 Minuten
»Caine, sag endlich, was du willst!« Sam klang zornig, frustriert. Geschlagen.
Caine neigte den Kopf und genoss den Moment mit jeder Faser seines Körpers. Sieg.
»Was ich will?«, rief er durch das verkohlte Loch in der Wand. »Dich, Sam. Ich will, dass du zu mir kommst, und zwar allein.«
Die Geiseln Mickey und Mike warfen einander entsetzte Blicke zu. Caine konnte sich vorstellen, was in ihnen vorging: Ihr großer Held Sam hatte versagt.
Sams Stimme drang gedämpft, aber hörbar herein: »Wenn es nach mir ginge, Caine, würde ich mich ja geschlagen geben, das wäre sogar eine Erlösung. Weil wir aber alle wissen, wozu du fähig bist, wenn dich keiner aufhält, lautet die Antwort Nein.«
Caine seufzte theatralisch. Er grinste dabei übers ganze Gesicht. »Ja, ich dachte mir schon, dass du so reagieren würdest. Deshalb habe ich mir eine Alternative überlegt. Ich denke an einen Tauschhandel.«
»Was wofür?«
»Nahrungsmittel für Licht.« Caine legte eine Hand an sein Ohr, als würde er lauschen. Diana flüsterte er zu: »Hörst du das? So klingt es, wenn mein Bruder begreift, dass er verloren hat. Dass er gerade mei n – was ist das richtige Wort ? – mein Diener geworden ist. Mein Sklave.«
»Caine!«, rief jetzt wieder Sam. »Wenn du mich fragst, bist du derjenige, der ein Problem hat.«
Caine blinzelte. In seinem Hinterkopf blinkte ein Alarmlicht auf. Er musste einen Fehler gemacht haben, auch wenn er nicht wusste, welchen.
»Ich?«, erwiderte Caine. »Kann ich mir kaum vorstellen. Ich sitze am Lichtschalter, Bruder.«
»Mag sein«, sagte Sam. »Aber meine Leute haben dich umzingelt. Und wenn ihr oben in
Weitere Kostenlose Bücher