GONE Hunger
zog die Beine an und bearbeitete das Glas mit Fußtritten.
Würden die Kojoten sie jetzt im Rudel angreifen, hätte sie kaum eine Chance. Sie hielten sich aber zurück. Pack Leaders Verletzung verwirrte sie.
Lana trat zu, immer wieder, panisch vor Angst.
Du wirst sterben.
»Dann stirbst du mit mir!«, schrie Lana.
Endlich gab das Glas nach und kippte nach außen.
Lana schob den Kopf und die Schultern hindurch.
Ein Kojote sprang sie an.
Sie schoss auf ihn.
Dann stemmte sie den Rest ihres Körpers heraus, achtete nicht auf die Schnitte, die sie sich dabei zufügte, und hockte schließlich auf allen vieren auf der Motorhaube, die in Benzin getauchte Schnur in der einen Hand, die nach Schießpulver stinkende Pistole in der anderen.
Sie schoss wild um sich. Die Kugeln schlugen Funken sprühend in die Felsen ein. Die Kojoten stoben erschrocken auseinander und ergriffen die Flucht.
Sie legte die Pistole auf die Motorhaube.
Und zog das Feuerzeug aus ihrer Tasche.
Nein.
Sie knipste das Feuerzeug an.
Eine kleine orangefarbene Flamme.
Das wagst du nicht.
Lana brachte das Seilende an das Feuer heran.
Stopp.
Lana zögerte.
»Nein«, hauchte sie.
Du kannst es nicht.
»Doch!«, schluchzte Lana.
Du gehörst mir.
Die Flamme verbrannte Lanas Daumenspitze. Aber das spürte sie nicht mehr, denn in ihrem Kopf explodierte ein gewaltiger Schmerz. Schreiend hielt sich Lana die Ohren zu. Das Feuerzeug versengte ihr Haar.
Sie ließ das Seil fallen.
Sie ließ das Feuerzeug fallen.
Solche Qualen hatte Lana nicht für möglich gehalten. Es war, als würde jemand mit einer Kelle ihr Gehirn herausschöpfen, ihren ganzen Schädel ausschaben und mit glühenden Kohlen füllen.
Lana fiel von der Motorhaube. Sie schrie und schrie und wusste, sie würde nie wieder damit aufhören.
Neunundzwanzig
16 Stunden, 33 Minuten
»Wir warten einfach ab, bis er von selbst rauskommt«, sagte Edilio zu Sam. »Rühren uns nicht von der Stelle. Du könntest sogar ein wenig schlafen.«
»Wann hast du Geburtstag, Edilio?«
»Lass das, Mann! Du weißt genau, dass ich nicht aussteige.«
»Du überlegst es dir nicht einmal?«
Darauf sagte Edilio nichts.
»Wie wird das alles enden, Edilio? Oder hört es nie auf? Wie viele Kämpfe erwarten uns noch? Wie viele Gräber auf der Plaza? Denkst du je darüber nach?«
»Sam, ich bin derjenige, der die Leute begräbt«, sagte Edilio leise.
»Ja. Entschuldige.« Sam seufzte. »Dir ist klar, dass wir verlieren, oder? Ich meine nicht diesen Kampf. Sondern den großen Kampf ums Überleben. Wir sind am Verhungern. Kaum jemand will arbeiten, um Essen zu beschaffen. Die Leute essen lieber ihre Haustiere. Es bilden sich feindliche Lager. Alles gerät außer Kontrolle.«
Edilio warf einen Blick auf Howard, der zwar in einiger Entfernung von ihnen stand, aber dennoch zuhörte. Zwei von Edilios Leuten befanden sich ebenfalls in Hörweite.
»Sam, hör auf damit!«, flüsterte er. »Die Leute blicken zu dir auf, Mann. Du darfst so nicht reden. Du darfst nicht mal daran denken, dass wir erledigt sind.«
Sam hörte ihm nur mit einem Ohr zu. »Ich muss in die Stadt.«
»Was? Du nimmst mich auf den Arm, stimmt’s? Wir müssen das hier zu Ende bringen.«
»Dekka soll solange übernehmen. Ich muss unbedingt mit Astrid reden.«
»Wahrscheinlich keine schlechte Idee.« Edilio ließ ihn stehen und ging zu Dekka hinüber. Er nahm sie zur Seite und redete eindringlich auf sie ein. Dekka warf Sam einen besorgten Blick zu.
»Komm, ich fahr dich!«, rief Edilio.
Sam folgte ihm zum Jeep. »Was hast du Dekka gesagt?«
»Dass du in der Stadt nach dem Rechten sehen musst, weil die Lichter aus sind.«
»Hat sie dir das abgekauft?«
Edilio antwortete nicht gleich. Und er vermied es, Sam in die Augen zu schauen. »Dekka ist stark. Sie packt das schon.«
Auf der Fahrt in die Stadt schwiegen sie.
Die Plaza war voller Menschen. Als Edilio anhielt, spürte Sam, wie alle Blicke gleichzeitig zu ihm schwenkten.
Astrid drängte sich durch die Menge, rannte zum Wagen und warf die Arme um Sam. Sie küsste ihn auf die Wange und dann auf den Mund.
Er vergrub sein Gesicht in ihren Haaren und flüsterte: »Geht’s dir gut?«
»Ja. Ich weiß endlich, dass du lebst. Sam, die Kids sind außer sich. Sie haben Angst.«
Wie auf ein Stichwort eilten plötzlich alle herbei und drängten sich um sie.
»Die Lichter sind aus!«
»Wo bist du gewesen?«
»Wir haben nichts mehr zu essen.«
»Ich fürchte mich im Dunkeln.«
»In der
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