GONE Hunger
Stadt läuft ein Mörderfreak herum.«
»Das Wasser funktioniert nicht mehr.«
Zu den Vorwürfen gesellten sich auch wehleidige Fragen.
»Was sollen wir denn jetzt tun?«
»Warum hast du Caine nicht aufgehalten?«
»Wo ist die Heilerin?«
»Werden wir alle sterben?«
Sam schob Astrid sanft beiseite und hörte sich alles an. Jede Äußerung traf ihn wie ein Pfeil mitten ins Herz. Er hatte sich dieselben Vorwürfe auch schon gemacht und sich mit den gleichen Fragen gequält. Je länger er sie unbeantwortet ließ, umso größer würde ihre Angst werden.
Aber er hatte keine Antworten.
Astrid stand neben ihm, das Gesicht der Menge zugewandt und mit dem Rücken zum Jeep. Die Leute drängten immer näher an sie heran und wurden von Sekunde zu Sekunde aufgebrachter. Sie rief ihnen zu, doch endlich den Mund zu halten, aber niemand beachtete sie.
Edilio hatte hinter sich gegriffen und die Maschinenpistole von der Rückbank auf seinen Schoß gezogen, als rechnete er damit, Sam und Astrid schützen zu müssen.
Jetzt tauchte Zil auf. Er schritt durch die Menge und wurde von vier Kids begleitet, die einen auf Leibgarde machten und die Leute beiseiteschoben. Einige jubelten ihm zu, andere buhten ihn aus. Doch als er die Hand hob, wurden die Leute ruhiger und beugten sich gespannt vor.
Zil stemmte eine Faust in die Hüfte und zeigte mit der anderen Hand auf Sam. »Du bist doch der große Boss.«
Darauf sagte Sam nichts. Die Menge verstummte, alle warteten ab.
»Der große Boss der Freaks!«, schrie Zil. »Der auf allen Ebenen versagt hat. Du kannst zwar Laserstrahlen aus deinen Händen ballern, aber kein Essen organisieren. Du kannst nicht verhindern, dass der elektrische Strom abgeschaltet wird, und du unternimmst nichts gegen diesen Mörder Hunter, der meinen besten Freund umgebracht hat.« Er hielt kurz inne, um für seine Forderung Luft zu holen. »Du solltest das Kommando abgeben.«
Sam nickte, als gäbe er ihm Recht. Doch dann, langsam und schwerfällig wie ein alter Mann, stieg er auf den Beifahrersitz des Jeeps und stellte sich so hin, dass ihn alle auf der Plaza sehen konnten.
Sam spürte, wie die seit Wochen aufgestaute Wut in ihm hochstieg. Das alles rauszulassen, würde nichts bringen. Er wusste das. Er zwang sich zu einem besonnenen Tonfall und einem neutralen Gesichtsausdruck, als er auf Zil herunterblickte.
»Möchtest du das Kommando übernehmen, Zil? Gestern Nacht bist du rumgelaufen, um eine Lynchtruppe auf die Beine zu stellen. Und du brauchst gar nicht erst so tun, als wäre das Graffiti am Rathaus nicht auf deinem Mist gewachsen.«
»Na und?«, erwiderte Zil. »Ich hab nur ausgesprochen, was alle denken, die keine Freaks sind.« Das Wort »Freaks« hatte er wie eine Beleidigung ausgespuckt.
»Denkst du wirklich, wir haben im Moment keine anderen Sorgen, als uns in Freaks und Normale zu spalten? Meinst du, das dreht die Lichter wieder an und gibt den Leuten was zu essen?«
»Und was ist mit Hunter? Er bringt mit seinen Mutantenkräften Harry um und du lässt ihn einfach laufen.«
»War eine ziemlich lausige Nacht«, presste Sam hervor.
»Dann lass mich und meine Jungs einspringen. Wir finden ihn«, sagte Zil. »Ich meine, wenn du so damit beschäftigt bist, kein Essen aufzutreiben, Caine nicht aufzuhalten und die Lichter ausgehen zu lassen, dann schnappen eben ich und meine Crew Hunter.«
»Und was habt ihr mit ihm vor?«, fuhr Astrid Zil an. »Sag schon, wie lautet dein toller Plan?«
Zil streckte beide Hände aus. »Hey, wir wollen ihn bloß schnappen, bevor er noch mehr Leute verletzt. Willst du ihn vor Gericht stellen? Kein Problem.«
»Niemand hindert dich daran, ihn zu suchen«, sagte Sam. »Du kannst die Stadt durchkämmen, solange du willst. Bei der Gelegenheit kannst du dein Graffiti bewundern und die Fenster zählen, die du eingeschlagen hast.«
»Wir brauchen Waffen«, forderte Zil. »Unbewaffnet leg ich mich nicht mit einem Killerfreak an. Aber dein Chihuahua da sagt, wir gewöhnlichen Leute dürfen keine Waffen tragen.«
Sam warf Edilio einen Blick zu, um zu sehen, wie er die Beleidigung aufnahm. Edilio starrte finster geradeaus, wirkte jedoch ruhig. Ruhiger, als Sam sich fühlte.
»Hunter ist ein Problem«, gestand Sam ein. »Wir haben aber eine ganze Liste mit Problemen. Kids ohne Kräfte gegen die mit Kräften aufzuhetzen oder Leute zu beschimpfen, bringt nichts. Wir müssen zusammenhalten.«
Als Zil nicht gleich antwortete, fuhr Sam fort und wandte sich jetzt an alle.
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