GONE Hunger
alte Videoaufnahmen von einer Serie an. Ständig kam Werbung, die Leute beim Essen zeigte. Für Orsay hätten das genauso gut Bilder von einem anderen Planeten sein können. Dass es diese Welt jemals gegeben hatte, war kaum noch vorstellbar.
Plötzlich spürte Orsay ganz deutlich, dass noch jemand im Zimmer war. Jemand, den sie weder sehen noch hören konnte. Aber riechen.
Er roch nac h … nach Fisch. Ihr Magen rumorte lautstark.
»Wer ist da?«, fragte sie ängstlich.
Die Wanze löste sich aus dem Hintergrund des schäbigen Zimmers und wurde sichtbar.
»Was willst du?« Der Fettgeruch und das Fischaroma regten ihre Speichelproduktion so stark an, dass sie sich wie ein sabbernder Hund vorkam.
»Du musst etwas für mich tun«, sagte die Wanze.
»Hat Caine dich geschickt?«
Der Junge zögerte, blickte sich nervös um, als könnte sich noch eine zweite Wanze im Raum befinden, und sagte dann mit einer für ihn untypischen Entschlossenheit: »Sie haben Fisch.«
»Ich kann ihn riechen«, wimmerte Orsay.
»Ich hab dir was mitgebracht.«
Orsay dachte, sie würde jeden Augenblick in Ohnmacht fallen. »Gibst du ihn mir?«
»Erst, wenn du mir versprichst, dass du alles tust, was ich sage.«
Orsay wusste, dass man der Wanze nicht trauen konnte. Sie wusste aber auch, dass sie eh nachgeben würde. Inzwischen war sie für einen Happen fast zu allem bereit.
»Was muss ich tun?«
»Zuerst werden wir ein Stück gehen. Dann musst du dein Ding durchziehen. Es gibt da so ein Wesen, keine Ahnung, was das genau ist. Sie wollen, dass du dir seine Träume ansiehst, herausfindest, was es will.«
»Den Fisch«, flüsterte Orsay gierig. »Hast du ihn dabei?«
Die Wanze zog eine verschließbare Plastiktüte aus der Tasche seines Kapuzenpullis. Sie enthielt weiße Fischstückchen. Orsay stürzte sich darauf, riss mit zitternden Fingern die Tüte auf und fuhr wie ein Tier mit dem Mund hinein. Sie hörte erst auf, nachdem sie die Tüte gewendet und abgeleckt hatte.
»Hast du noch was?«, bettelte sie.
»Zuerst siehst du dir die Träume an. Danach gehen wir in die Stadt und holen Nachschub.«
»Tun wir das für die Kids von Perdido Beach?«
Die Wanze schnaubte. »Wir tun es für die mit dem besten Angebot. Im Moment haben Sams Leute frischen Fisch. Also stehen wir auf ihrer Seite. Sollten wir Drake über den Weg laufen, waren wir immer auf seiner Seite. Verstanden?«
»Ich bin zu schwach, um weit zu gehen«, sagte Orsay.
»Wir müssen nur bis zur Schnellstraße. Dort wartet ein Auto auf uns.«
Vierunddreissig
6 Stunden, 3 Minuten
Edilio sollte den widerlichen kleinen Schleimer und das Mädchen, das er mitgebracht hatte, fahren. Froh war er nicht darüber. Er wäre lieber in der Stadt geblieben. Bei Anbruch der Dunkelheit würde es wahrscheinlich wieder Ärger geben, und Sa m … Sam war völlig verändert.
Als ihm Albert und Quinn den Ausflug in die Wüste und Lanas Verschwinden gebeichtet hatten, hatte er sich wie ein apathischer Zombie verhalten. Und als an diesem Morgen plötzlich die Wanze mit seiner Story aufgetaucht war und eine schlechte Nachricht die andere jagte, hatte Sam nur vor sich hin gestarrt und kein Wort gesagt. Zum Glück war Astrid eingesprungen.
Sie waren mit Quinn und Albert zu Astrid gegangen und hatten sich angehört, was die Wanze zu sagen hatte. Der kleine Schleimer hatte vor ihnen gebuckelt, sie angefleht, ihn nicht fortzuschicken, und in einem fort gejammert.
Danach hatte Astrid Lanas Brief vorgelesen.
Sam,
ich werde versuchen, die Dunkelheit zu töten. Wenn ich wüsste, was sie ist oder was sie bedeutet, würde ich es dir erklären. Aber ich weiß es selbst nicht. Ich weiß nur, dass sie das Schrecklichste ist, was man sich vorstellen kann.
Ich habe keine Wahl. Sie hat mich am Haken. Sie ist in meinem Kopf und ruft mich seit Tagen zu sich. Sie braucht mich. Ich weiß nicht, wofür, aber ganz egal, was es ist, ich darf nicht zulassen, dass es dazu kommt.
Hoffentlich geht alles gut. Falls nicht, kümmere dich bitte um Patrick. Und um Cookie.
Lana
»Mir hat sie erzählt, dass irgendwas nicht stimmt«, gestand Quinn schuldbewusst. »Aber davon hatte ich echt keine Ahnung. Ich meine, Lana wollte in die Wüste zurück und sie hat mich und Albert dazu benutz t …«
»So kann man es auch beschreiben, um von eurem kleinen Geheimtrip abzulenken«, entgegnete Astrid scharf.
»Sie hat mir von dem Gold erzählt«, sagte Albert, der sich nicht einschüchtern ließ. »Es war eine gute Idee, deshalb
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