GONE Lügen
Strand lag wieder im Dunkeln.
Er spuckte aus und rieb sich vorsichtig die Sandkörner aus den Augen.
Hinter ihm war jemand!
Ehe er sichs versah, sauste die Peitsche auf ihn herab, schnitt durch den Stoff seines Hemdes, ließ die Haut darunter platzen und brannte wie Feuer. Sie traf ihn mit solcher Wucht, dass er herumgewirbelt wurde.
Jetzt blickte er der Gestalt ins Gesicht.
Wieder sirrte die Peitsche durch die Luft und schnitt ihm in die Schulter. Sam war viel zu betäubt, um sich wehren zu können.
»Hallo, Sammy. Lange her, was?«
»Nein!«, stieß Sam hervor.
»Oh doch!«, knurrte die Stimme, die Sam so gut kannte. Die Stimme, die er mehr als alles andere fürchtete, die ihn ausgelacht hatte, als er weinend und wehrlos auf dem Boden des Kraftwerks gelegen hatte.
Sam hob die Hände und feuerte blindlings drauflos.
Wieder hörte er, wie die Peitsche durch die Luft sauste. Diesmal duckte er sich instinktiv und wich dem Hieb aus.
»Der Dämon!«, schrie auf einmal eine Mädchenstimme.
Doch Sam beachtete sie nicht, er rannte an ihr vorbei durch den Sand, fiel hin, sprang auf und lief atemlos weiter.
Er hielt erst an, als er gegen die Brüstung krachte, auf die andere Seite fiel und keuchend liegen blieb.
Quinn hatte beschlossen an Land zurückzukehren, obwohl ihm vor dem graute, was sie dort erwartete.
Das Feuer hatte sich ausgebreitet. Inzwischen schien die halbe Stadt in Flammen zu stehen, aber zumindest sah er jetzt keine Brandbomben mehr durch die Luft fliegen. Der Rauch war bis aufs offene Meer gedrungen und brannte in seinen Augen, während sein Herz hämmerte, als wollte es ihm aus der Brust springen.
Er fürchtete ein weiteres Massaker, das nächste Unheil. Würde das denn nie aufhören?
Die Ruderer waren durch den Anblick ihrer brennenden Häuser in banges Schweigen verfallen.
Als sie den Steg im Hafen erreichten, sahen sie eine Gruppe, die den Pier entlangstolperte. Zweifellos in Panik geratene Kids, die sich im Hafen in Sicherheit bringen wollten.
Quinn rief ihnen nach, erhielt aber keine Antwort.
Sein Boot stieß sachte gegen einen der Pfähle, die die Bootsplätze begrenzten. Durch die tagtägliche Praxis saß jeder einzelne Handgriff. Er warf eine Seilschlinge über einen Poller am Steg, um das Boot heranzuziehen. Die Ruder wurden eingezogen, Big Goof sprang aus dem Boot und band die zweite Leine fest.
Die dahintaumelnden Kids beachteten sie nicht. Obwohl sie wie alte, gebrechliche Greise wirkten, war Quinn etwas an ihnen seltsam vertraut.
Er sprang auf den Steg.
»Hey, ihr da!«, rief er. Quinn war für die Boote verantwortlich. Der Hafen war sein Revier.
Die Kids gingen weiter, als wären sie taub. Sie hatten den nächsten Steg erreicht und peilten die beiden Motorboote an, die für Notfälle bereitstanden und vollgetankt waren. Ein flaches Boot für den Seebarschfang und ein Schlauchboot.
»Hey!«, schrie Quinn noch einmal.
Der Junge, der an der Spitze ging, wandte sich zu ihm um. Zwischen ihnen lagen gut zehn Meter Wasser, aber der vom Feuer ausgehende Lichtschein reichte Quinn, um die Gestalt zu erkennen. Außerdem kannte er die Stimme.
»Penny«, sagte Caine, »halt unseren Freund Quinn auf Trab.«
Vor Quinn schoss plötzlich eine Wasserfontäne wie ein Geysir zum Himmel und daraus schälte sich ein gewaltiges Monster.
Quinn kreischte vor Schreck.
Das Monster ragte über ihm und wurde immer größer. Sein Schädel sah aus wie ein durch Folter verunstalteter Elefantenkopf. Es hatte zwei tote schwarze Augen, gebogene Hauer und ein Maul, aus dem sich eine lange, spitze Zunge schlängelte. Und als es jetzt noch zu brüllen begann, klang es, als würden Metalltonnen über hundert Riesencellos streichen.
Quinn wich zurück und fiel dabei vom Steg. Er prallte mit dem Rücken gegen das Boot, bevor er kopfüber im Wasser versank.
In seiner Panik riss er den Mund auf und füllte seinen Rachen mit einer Ladung Salzwasser. Er würgte und hustete und kämpfte mit aller Macht dagegen an, Luft zu holen.
Quinn kannte das Wasser. Er war immer schon ein guter Surfer und ein noch besserer Schwimmer gewesen und erlebte es nicht zum ersten Mal, kopfüber unter Wasser zu sein.
Er bekam seine Angst in den Griff und drehte sich nach oben. Die Grenze zwischen Wasser und Luft, zwischen Leben und Tod, befand sich nur noch einen halben Meter über ihm. Einer seiner Füße trat auf Grund.
Kaum hatte er sich abgestoßen, streckte sich etwas unter dem Steg hindurch und griff nach ihm. Lange
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