GONE Verloren
»Ja!« aus.
Astrid fuhr vor Schreck zusammen. Aus Versehen prallte sie mit ihrem Zementblock so heftig gegen den kleinen Pete, dass der Gameboy aus seiner Hand fiel und er einen Schritt zurückstolperte.
Diana, die Astrids Bruder erst jetzt bemerkte, runzelte alarmiert die Stirn.
Sam sah durch den Tränenschleier, wie ihre Augen sich weiteten und ihr Finger auf Pete zeigte.
»Drake, du Idiot! Der Kleine!«
Astrid fiel auf die Knie und ließ den Zementblock auf Petes Gameboy sausen.
Es folgte kein Blitz. Kein einziger Laut. Doch plötzlich war der Zementblock an Astrids Händen weg.
Auch Sams Hände waren befreit.
Und die der anderen Kids ebenfalls.
Die Zementblöcke waren komplett verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Von ihrer Existenz zeugten nur noch die Hände der Mutanten, die zu bleichen und schuppigen Hautlappen verkümmert waren und von ihren Gelenken baumelten, als wären sie abgestorben.
Caine reagierte schnell. Er wich zurück, drehte sich um und rannte zum Gebäude. Diana schien erst hin und her gerissen, doch dann stürzte sie Caine nach.
Ohne auch nur einen Blick auf die Umstehenden zu werden, hob der kleine Pete seinen Gameboy auf. Der Block war eine Zehntelsekunde, bevor er das Spielzeug zertrümmert hätte, verschwunden. Es war schmutzig und mit einem Grashalm garniert, aber es funktionierte.
Drake stand wie angewurzelt da. Die Pistole in seiner Hand rauchte noch. Er blinzelte, dann hob er die Waffe an und richtete sie auf Pete. Doch als er abdrückte, blendete ihn ein gleißend heller Lichtblitz und der Schuss verfehlte sein Ziel.
Die Hand, in der Drake die Pistole eben noch gehalten hatte, stand in Flammen.
Kreischend und fassungslos vor Entsetzen sah er dabei zu, wie sie sich in seinen Arm fraßen und ihn verbrannten. Als er zu rennen anfing, schürte der Wind das Feuer.
»Guter Schuss, Sam«, sagte Edilio.
»Nein, ich hab auf seinen Kopf gezielt«, erwiderte Sam.
Lana kniete sich neben ihn und legte ihre Hände auf den blutigen Brei, der vorher sein Knie gewesen war.
»Wir müssen hier weg«, stammelte Sam. »Lasst mich! Wir müssen fliehen! Zurück nac h … Caine wir d …«
Doch dann verließen ihn seine Kräfte endgültig und er hatte das Gefühl, von einem schwarzen Loch verschlungen zu werden.
Fünfunddreissig
86 Stunden, 11 Minuten
»Wo sind wir?« Sam war zu sich gekommen und stellte verwirrt fest, dass er von Edilio und einem ihm unbekannten Jungen die Straße entlanggeschleppt wurde.
Edilio hielt an. »Kannst du stehen?«
Sam stellte vorsichtig seine Beine auf den Boden. Lana hatte sein Knie vollständig geheilt. »Ja. Alles in Ordnung. Mir geht’s gut.«
Als er einen Blick zurückwarf, sah er, dass sie eine Art Lumpenparade anführten. Da waren Astrid und der kleine Pete, Lana, die einen Jungen an der Hand führte, während ihr Hund gerade einem Eichhörnchen in die Büsche hinterherjagte, Quinn, der allein am Straßenrand ging und von den anderen gemieden wurde, und schließlich noch an die zwei Dutzend Kinder, die befreiten Freaks von der Coates Academy.
Edilio bemerkte seinen Gesichtsausdruck. »Du hast jetzt deine eigene Gang, Sam.«
»Caine hat uns nicht verfolgt?«
»Bis jetzt nicht.«
Die Leute folgten Sam einzeln oder in kleinen Grüppchen. Sie waren über die ganze Straße verteilt. Es war ein loser Haufen sichtlich unter Schock stehender Kinder.
Beim Anblick all der geschundenen Hände zuckte Sam zusammen. Der Beton hatte ihrer Haut jede Feuchtigkeit entzogen, sie war weiß und hing schlotternd herab, und an den Unterarmen, wo das Fleisch blutig gescheuert worden war, hatten sich rote Kreise gebildet.
Edilio konnte sich denken, was in Sam vorging. »Schlimm, nicht? Lana behandelt sie gerade der Reihe nach. Heilt sie. Sie ist unglaublich.«
Sam meinte, aus Edilios Ton noch etwas anderes herauszuhören. »Außerdem ist sie ziemlich süß, was?«
Edilio wurde rot. »Sie ist nur … als o …«
Sam gab ihm einen Klaps auf die Schulter. »Ich wünsch dir jedenfalls Glück, Mann.«
»Denkst du, sie … ich meine, du kennst mich, ich bin doch nu r …«, stammelte Edilio.
»Alter, wir werden erst mal dafür sorgen, dass wir am Leben bleiben. Danach kannst du ja mit ihr ausgehen oder so.«
Sam sah sich um. Sie befanden sich auf der Straße, die von der Coates Academy wegführte, waren aber noch nicht weit gekommen. Perdido Beach war meilenweit weg.
Als Astrid registrierte, dass er zu sich gekommen war, eilte sie freudestrahlend herbei.
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