Good Girls
Sie will sich alles neu machen lassen: Zähne, Brüste, Wangen, Nase und so weiter. Meiner Meinung nach sehen diese Frauen hinterher aus wie sprechende Roboter. Aber ich spare mir die Bemerkung. Die Leute hören sowieso nur, was sie hören wollen.
»Ihr zwei müsst es so machen wie ich. Ein Leben ohne Jungs«, verkündet Pam. »Es ist echt toll. Keine Probleme, keine lästigen Telefonanrufe um Mitternacht, kein Bitten und Betteln. Niemand, der mir erzählt, dass Gummis den Spaß am Sex verderben. Die armen, armen Kleinen. Die können einem echt leidtun.« Sie blickt aus dem Fenster, als wären die Jungs, von denen sie redet, draußen angekettet und warteten nur darauf, von ihr ausgepeitscht zu werden.
»Ich glaube, früher hatten es die Frauen besser«, sagt Cindy. »Ich lese gerade ein Buch, in dem eine Frau entführt wird und in einen Harem kommt.«
»Wie heißt das Buch denn?«, frage ich.
Cindy kramt in ihrer Tasche und zieht es heraus. Die Frau auf dem Titelbild trägt durchsichtige Hosen und einen Glitzer-BH. Hinter ihr steht ein kräftiger Kerl mit langen, windzerzausten Haaren und einem weißen Hemd, das sich im Wind bauscht. Erzieht ihre Ellbogen so weit zurück, dass es ziemlich unbequem aussieht. Der Titel des Buchs lautet: Sklavin der Liebe .
»Oh, ja«, sagt Pam. »Sie sieht wirklich aus, als hätte sie gerade sehr viel Spaß. Versucht er ihr gerade die Schultern auszurenken?«
»Moment. Lass mich doch mal zu Ende erzählen«, fährt Cindy fort. »Das Mädchen heißt Vienna und wird von einem Typen namens Rafe aus dem Harem befreit, bevor ihr dort etwas Schlimmes zustößt. Rafe verliebt sich in sie. Und jetzt bin ich gerade an der Stelle, wo er sie fragt, ob sie ihn heiraten will.«
»Wie süß«, sagt Pam. »Und?«
»Ich will damit nur sagen, dass die Männer früher echte Gentlemen waren. Zumindest ein paar von ihnen.«
»Cindy«, sage ich. »Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass diese Liebesromane historisch korrekt sind.«
Pam beißt ein Stück von einer Fritte ab. »Und außerdem versauen sie dein Gehirn.«
»Oh-oh«, sagt Cindy und senkt die Stimme zu einem leisen Zischen. »Da kommt deine kleine Freundin. Und die andere gleich hinterher.«
Ich blicke auf und sehe, wie Ash mit Joelle im Schlepptau zu uns rüberkommt. Auf Joelles Gesicht liegt ein flehender Ausdruck, als wollte sie sagen: Ich kann nichts dafür, aber ich konnte sie nicht aufhalten. Du weißt ja, wie sie manchmal ist. Ich weiß sehr wohl, wie Ash manchmal ist. Aber ich weiß nicht, warumsie mir gegenüber so ist. Es ist jetzt zweieinhalb Wochen her, seit wir uns gestritten haben. Nach dem Streit habe ich einen Heulkrampf bekommen und sie von Zuhause aus angerufen. Sie war immer noch außer sich. »Du hast Scheiße gebaut«, zischte sie. »Gib’s doch endlich zu!« Ich wurde wieder wütend, legte auf und vergrub mein Gesicht in Stevies Fell. Mom wollte wissen, warum sie mich plötzlich immer zur Schule fahren muss, und ich erzählte ihr irgendwas von wegen Theaterproben vor der Schule. Um mich abzulenken, lernte ich noch mehr. Als ich meinen letzten Aufsatz ( Stolz und Vorurteil : Eins plus) mit Bravour bestand, nahm mich Mr Lambright beiseite. Er sagte mir, er wüsste zwar nicht, wie ich das gemacht hätte, aber es würde jedenfalls funktionieren. Ron, der Wortgewandte, steckte seinen eigenen Aufsatz (Eins minus) in seine Tasche und warf mir einen gehässigen Blick zu.
Jetzt steht Ash neben mir am Tisch und starrt uns an.
»Willkommen in der Stadt der Schlampen«, begrüßt sie Pam mit einer Stimme wie ein Kühlschrank. »Was willst du denn?«
Ash antwortet nicht. Ihre Miene entspannt sich und sie zupft nervös an ihrem Augenbrauenring. Sie seufzt und starrt auf den Boden. »Ich habe mich wie ein Idiot benommen.«
»Das stimmt«, sage ich.
»Allerdings«, sagt Pam.
»Genau«, sagt Cindy.
Eine Minute lang atmet keine von uns. Dann verschränkt Pam die Arme vor der Brust. »War das alles? Ist das alles, was du zu sagen hast?«
Ashs Kinnmuskeln spannen sich an, und ich befürchte schon, dass sie Pam gleich sagen wird, sich gefälligst zu verpissen. Die beiden sind völlig verschieden, was ihren Stil und ihre Einstellungen angeht. Aber sie sind beide stur wie Esel. Ashs dunkel geschminkte Augen funkeln angriffslustig. Doch anstatt Pam anzupflaumen, sagt sie lediglich: »Nein, das war noch nicht alles. Aber ich wüsste nicht, was dich das angeht. Audrey, ich bin an allem schuld. Ich wollte einfach nicht, dass du so
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