Good Girls
mal gut zu, Pam. Du lernst nie und Hausaufgaben machst du auch keine. Du hast keinen Nebenjob. Du hängst bei jeder Theaterprobe im Zuschauersaal rum. Und die Jungs hast du auch aufgegeben, stimmt’s? Was hast du denn sonst zu tun?«
Cindy nickt. »Da hat sie allerdings recht.«
Pam deutet auf Cindy. »Na schön. Aber nur, wenn sie auch mitmacht.«
»Das will ich aber nicht!«, protestiert Cindy.
»Ich werde mich nicht allein blamieren«, sagt Pam. »Also machst du auch mit.«
Und so ist es dann auch. Pam kann weder besonders gut singen noch Theater spielen und außerdem vergisst sie ständig ihren Text. Aber sie hat eine besondere Präsenz auf der Bühne. Die Aura einesknallharten, männerfressenden, jungen Vamps. Kein Wunder, dass das bei manchen Typen so gut ankommt. Ms Godwin ist jedenfalls begeistert und Pam bekommt die Rolle. Joelle ergattert die Hauptrolle Sandy und ihre neueste Flamme O/Joe übernimmt die männliche Hauptrolle Danny Zuko. Cindy landet in meinem Team beim Bühnenbild, womit sie sehr zufrieden ist. Ash verspricht, zu den Proben zu kommen und haarsträubende Tentakelgedichte über die Theater-AG zu schreiben.
»Die Tiefkühlkälte in deinem Bauch«, sage ich.
»Die spürst du doch auch!«, sagt Pam.
Ein neues Stück heißt auch eine neue Tour zum Baumarkt sowie zum Schrottplatz, wo ich eine alte Autotür und ein paar Armaturenbretter erstehe. Und es bedeutet erneutes Hämmern, Schleifen und Streichen, Pizzas für die Helfer, zahllose Stunden im Theater, in denen Ms Godwin Pam zur Schnecke macht, weil sie versucht, ihren Text vom Handy abzulesen, und Joelle, weil sie ihren Text nicht schnell genug lernt.
Niemand ist schnell genug. Mitte April, zwei Wochen vor der Premiere, will Ms Godwin von mir wissen, wann die Kulissen fertig sind.
»Viel fehlt nicht mehr«, sage ich. »Wir müssen nur noch ein paar Sachen streichen und zusammenbauen. Das geht bestimmt schnell.«
Sie trägt einen umhangartigen Schal, den sie mit einer silbernen Brosche an ihrem Hals befestigt hat. Sie nestelt an der Brosche und sieht mich streng an.»Meine liebe Audrey, ich muss mich doch sehr über Sie wundern. Ich habe noch nie erlebt, dass Sie mit Ihrer Arbeit so spät dran waren wie in diesem Jahr.«
Ich finde, dass wir perfekt im Zeitplan sind. Aber so etwas sagt man nicht zu Ms Godwin. Man sagt: »Es tut mir leid, Ms Godwin. Ich arbeite so schnell ich kann.«
»Na, ja«, sagt sie. »Vermutlich waren Sie etwas abgelenkt.«
»Verzeihung?«
Sie stößt einen ihrer Warum-muss-ich-alles-erklären-Seufzer aus. »Die Privatangelegenheiten meiner Schüler interessieren mich nicht. Trotzdem hätte ich nicht gedacht, dass ausgerechnet Sie so wenig Verstand haben.«
Meine Wangen fühlen sich plötzlich so kalt an, als hätte ich ein Eiswürfelbad genommen. »Was meinen Sie damit?«
»Audrey, ich habe Augen und Ohren im Kopf. Auch wenn ich nicht alles kommentiere, was ich sehe und höre. Ich dachte eigentlich, Sie wären zu klug, um sich in so eine Lage zu bringen.« Plötzlich wird ihr bewusst, was sie da gerade sagt, und nun wird sie rot. »Aber ich bin froh, dass es nicht schlimmer für Sie gekommen ist.«
Diese Frau wollte Hamlet modernisieren? Wie wär’s mit ein bisschen weiblicher Solidarität? Ein bisschen Unterstützung? Ich bin so wütend, dass ich ihr am liebsten einen Nagel in den Kopf schlagen würde.»Wissen Sie was, Ms Godwin?«, sage ich, und die Worte zerschneiden mir fast die Stimmbänder. »Ehrlich gesagt, war es für mich schlimm genug. Und soll ich Ihnen noch was sagen? Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet Sie so wenig Verständnis für mich haben.«
Ich stapfe aus dem Zuschauersaal und gehe zu meinem Schließfach. Es ist fast sieben Uhr abends, und ich bin müde, verschwitzt, mit den Nerven am Ende und voller Dreck und Farbe. Ich stehe vor meinem geöffneten Schließfach, schlüpfe in meine Jacke und taste die Taschen nach meinem kostbaren Autoschlüssel – na schön, nach Moms kostbarem Autoschlüssel – ab. Ich denke gerade, wenn mich Ms Godwin aus der Theater-AG wirft, ist mir das völlig egal, als die Tür am anderen Ende des Flurs aufgeht. Es ist Luke. Er trägt Baseballkleidung und hat sich den Fanghandschuh unter den Arm geklemmt. Er ist genauso verdreckt und verschwitzt wie ich – sogar noch verdreckter und verschwitzter.
Ich erstarre, er erstarrt.
Wir starren einander an. Sein Blick wandert zu meinen Haaren – die jetzt noch dunkler sind – und die ich zu einem
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