Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)
wurde sogar schon getuschelt, wir wären ein Paar. Je öfter wir darauf beharrten, nur Freunde zu sein, desto überzeugter waren die anderen davon, dass zwischen uns etwas lief. Ich wusste natürlich am besten, dass das nicht stimmte, genoss die Gerüchte aber trotzdem.
Einmal hörte ich Sheryl hinter meinem Rücken zischen: »Was findet er bloß an der, um Gottes willen? Schaut euch nur mal ihre Klamotten an!«
Mit meinem neu entdeckten Selbstvertrauen drehte ich mich um und lächelte ihr freundlich zu. Sie blieb erschrocken stehen.
»Intelligenz hat eben auch ihren Reiz«, sagte ich.
Für mich war Curt eine regelmäßig aufgefrischte Schutzimpfung gegen Matt. Mit den körperlichen Vergnügungen, die Curt mir beibrachte, stählte ich mein Herz gegen den täglichen Schmerz, Matt mit Vivian zu sehen.
Es war ein strahlender Herbsttag und kalt für die Jahreszeit. Curt und ich saßen aneinandergeschmiegt unter der Sportplatztribüne. Nach der Party kiffte ich nie wieder mit ihm, weil ich im normalen Leben gerne Herr über meine Sinne war. Meine billige Jacke war viel dünner als seine, deshalb wickelte er seinen langen Kaschmirmantel wie ein Zelt um uns. Ich strich mit dem Finger über seine Unterlippe.
Zwischen winzigen Küssen auf meine Fingerspitze fragte
er beiläufig wie immer: »Wie kommt es, dass du nicht in mich verliebt bist?«
Ich wollte ihm nicht wehtun. »Curt, so gut wie alle Mädchen auf dieser Schule sind in dich verliebt.«
Er hielt meinen Finger fest und begann daran zu saugen. Im Kontrast zur frostigen Luft fühlte sich sein Mund unglaublich warm an. »Alle außer dir.«
»Stimmt.« Ich seufzte und schloss genussvoll die Augen.
»Wegen früher?«
»Was meinst du?«
»Weil ich mitgemacht habe, als Greg dich gehänselt hat? In der siebten Klasse. Du weißt schon.«
Jetzt öffnete ich die Augen und sah ihn an. »Das war wirklich nicht besonders nett.«
»Ich weiß. Ich war ein kleines Arschloch. Tut mir leid.«
»Das ist lange her. Menschen ändern sich.«
»Du bist mir also nicht mehr böse?«
»Nein. Außerdem hast du dich ja bei der Geschichte mit Tammy für mich eingesetzt.«
»Woran liegt es dann?«
Matt tauchte vor meinem inneren Auge auf, aber ich schob ihn beiseite. »Ich glaube, ich bin nur in deinen Körper verliebt.«
Curt brach in Gelächter aus. »Tja, dann wird das wohl reichen müssen.«
Dabei beließen wir es.
Dr. Weston, die Vertrauenslehrerin und Schulpsychologin, rief mich in ihr Büro.
»Auf welches College würdest du gerne gehen?«, fragte sie mich.
Ich antwortete, ohne zu zögern: »Yale.«
Annette und ich hatten bereits über das Thema College gesprochen. Anders als ich hatte sie sich dutzendweise Prospekte schicken lassen und dicke College-Führer gewälzt. Am Ende hatte sie sich für Wesleyan entschieden. Meine Wahl war viel willkürlicher. Ich wusste, dass Yale eine Eliteuniversität war, und ich liebte die Yale-Fotos in Annettes Prospekt.
»Gut. Zeig mir deine Bewerbung, bevor du sie losschickst, dann gebe ich dir ein paar Tipps.«
»Glauben Sie wirklich, dass ich Chancen habe?«
Dr. Weston starrte mich mit ihren kleinen Augen an. »Kimberly Chang, wenn du es nicht nach Yale schaffst, wer dann?«
Ich tippte meine Bewerbung auf der Schreibmaschine in der Bibliothek, und Dr. Weston veränderte kaum etwas daran. Ich fragte sie, ob die Möglichkeit bestünde, dass mir die Anmeldegebühr erlassen wurde. Sie wollte eine Kopie unseres Steuerbescheids sehen und erstarrte, nachdem sie einen Blick darauf geworfen hatte. Sie bewilligte mir umgehend den Gebührenerlass.
Als ich Mama davon erzählte, war sie ziemlich aufgebracht. »Warum hast du die Gebühr nicht einfach bezahlt?«
»Weil das viel Geld ist.« Wir hatten in diesem Monat endlich unsere Schulden bei Tante Paula abbezahlt, standen finanziell also besser da als vorher, zumal ich mir weiterhin in der Bibliothek etwas dazuverdiente. Aber wenn wir jemals umziehen und unser Leben verändern wollten, mussten wir nach wie vor jeden Cent sparen, da machte ich mir keine Illusionen. Selbst mit dem Geld, das wir bisher an Tante Paula gezahlt hatten, war unser Einkommen mehr als dürftig.
»Aber vielleicht berücksichtigen sie deine Bewerbung dann nicht. Warum sollten sie sie lesen, wenn du ihnen kein Geld dafür gibst?«
Am nächsten Tag kaufte Mama einen Stapel billiger Porzellanteller und brachte ihn mit nach Hause.
»Hier, wirf die Teller auf den Boden«, befahl sie mir.
»Warum?«
»Weil es
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