Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)
verloren gewesen.
Nachdem ich die Abtreibung abgebrochen hatte, fragte ich mich, ob meine Beziehung mit Matt nicht vielleicht doch noch zu retten war. Ich suchte sogar nach ihm und sah ihn zusammen mit Vivian. Wie weh das tat. Ich wusste ja nicht, dass er sich bereits zusammengereimt hatte, was ich getan hatte, was ich zumindest vorgehabt hatte. Ich hätte die beiden jederzeit wieder auseinanderbringen können, das wusste ich. Aber der Schmerz, den ich bei ihrem Anblick empfand, verschaffte mir Zeit zum Nachdenken und machte mir klar, dass sich durch das Baby nicht wirklich etwas änderte. So sehr es mich schmerzte, ich musste der Tatsache ins Auge sehen, dass ich Matt auf lange Sicht nicht glücklich gemacht hätte.
Mama und ich erzogen Jason voller Sorgfalt und Liebe, zwei Frauen, die seine einzigen Bezugspersonen waren. Er liebte mich abgöttisch, auch wenn ich kaum da war, um seine Entwicklung zu verfolgen. Von klein auf merkte er immer sofort, wenn ich mir etwas Neues zum Anziehen geleistet hatte, was selten vorkam. Dann sagte er »hübsche Mami«, und vor seinen runden Kinderaugen fühlte ich mich wirklich und wahrhaftig schön. Wie heftig er jedes Mal weinte, wenn ich aus dem Haus musste, obwohl doch Mama, seine Großmutter, immer für ihn da war. Wenn ich tief in der Nacht nach Hause kam, fand ich ihn manchmal an sie geschmiegt auf einem Sessel hinter der Haustür vor, wo er auf meine Rückkehr gewartet hatte, bis beide eingeschlafen waren.
Die erste Wohnung, die er kennenlernte, war die in Queens, ein Paradies verglichen mit der alten Wohnung in Brooklyn, die er zum Glück nie zu sehen bekam. Ich weiß noch, wie Mama mit den Händen über Möbel und Wände und Küchengeräte fuhr, vor Staunen ganz benommen. Auch ich war
fassunglos, dass die Wände und der Boden sauber und intakt waren, dass es, wenn wir alle zusammen im Wohnzimmer saßen, immer noch andere Zimmer in der Wohnung gab, die frei von Menschen und Insekten waren.
Ich verschob Yale um ein Jahr, um Jason zur Welt zu bringen. In diesem Jahr, dem härtesten von allen, saßen Mama und ich zu Hause und stellten säckeweise Schmuck her. Obwohl wir beide so hart arbeiteten, wie wir konnten, gelang es uns nur mit Mühe und Not, die Miete und unsere laufenden Kosten zu decken. Kurz nach Jasons Geburt übernahm ich dann Doppelschichten bei der Post und sortierte nachts Briefe, damit ich tagsüber, wenn er wach war, so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen konnte. Zu Beginn des darauffolgenden Studienjahres zogen wir alle zusammen nach New Haven, in eine kleine Wohnung in der Nähe der Uni. Sobald mich Yale unter seine Fittiche genommen hatte, wurde unser Alltag ein wenig einfacher.
Wir lebten von meinem Stipendium und von Krediten. Während meines Studiums ging ich vier Jobs gleichzeitig nach und schloss trotzdem mit Auszeichnung ab, bevor ich mich an der medizinischen Fakultät in Harvard einschrieb. In den hoch verschuldeten Jahren vor meinem Abschluss in Medizin, musste ich jedes einzelne meiner Talente in die Waagschale werfen, um trotz der widrigen Umstände eine gute Chirurgin zu werden.
Ich schenkte Matt sein Leben mit Vivian, seine Familie, sein einfaches Glück. Gleichzeitig nahm ich ihm ein gemeinsames Leben mit uns. Ich hatte Jason gegenüber eine große Schuld auf mich geladen, die ich nie würde zurückzahlen können. Ich hatte ihm all die Jahre seinen Vater vorenthalten. Indem ich Matt aufgab, zwang ich Jason, dasselbe zu tun. Mein Sohn zahlte den Preis für meinen missglückten Versuch,
mich nobel zu zeigen. Er war noch zu jung, um allzu viele Fragen zu dem Thema zu stellen, über das ich nicht reden wollte: seinen Vater. Aber eines Tages würde er die ganze Wahrheit wissen wollen, das wusste ich. Was sollte ich ihm dann erzählen? Woher sollte ich denn wissen, was damals, vor so langer Zeit, die Wahrheit gewesen war? Ich wusste doch selbst so wenig.
Ich setzte mich auf, als die leidenschaftlichen Worte der Arie »Sola, furtiva, al tempio« den Raum erfüllten:
Ich breche deine Ketten!
Dir lacht das Glück der Liebe,
die höchste Erdenlust.
Dann holte ich tief Luft, stieg aus dem Bett und öffnete die Tür.
Danksagung
Z unächst möchte ich meiner Mutter danken, Shuet King Kwok, die mich gelehrt hat, was Güte und Mut bedeuten, und meinem verstorbenen Vater, Shun Kwok, der meiner Familie von Anfang an die Richtung wies.
Mit der Veröffentlichung dieses Debütromans betrete ich ungewohntes Terrain. Zum Glück kennt meine
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