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Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Titel: Goodbye Chinatown: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Kwok
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oder nicht?«
    Unglücklich erwiderte ich ihren Blick. »Natürlich.«
    Ihr Blick war grimmig. »Ich bin nicht dumm.«
    »Ich weiß.« Ich zögerte. »Ich helfe meiner Mutter bei der Arbeit.«
    »In Chinatown? Haben die Geschäfte da so lange geöffnet?« Ich hatte Annette einmal erzählt, dass meine Mutter in Chinatown arbeitete, und sie in dem Glauben gelassen, sie arbeite als Verkäuferin.
    Jetzt beschloss ich, ihr einen Teil der Wahrheit zu sagen:
»Erinnerst du dich, wie ich dir mal erzählt habe, dass wir in einer Fabrik arbeiten?«
    »Vielleicht, kann sein.« Annettes Stimme wurde lauter. »Arbeitet ihr da wirklich? Bist du nicht viel zu jung? Ist das nicht illegal?«
    »Annette. Hör auf damit.« Ich sah mich in der Bibliothek um, entdeckte aber nur eine einzige Schülerin am anderen Ende des Raums. »Das ist nicht irgendein abstrakter Gedanke in deinem Kopf, das ist mein Leben. Wenn du aus Protest irgendetwas dagegen unternimmst, können wir unseren Job verlieren.« Ich hielt inne und blickte hinunter auf die Schwielen an meinen Händen. Dann sah ich ihr wieder in die Augen und sagte: »Wir brauchen diese Arbeit.«
    »Ich werde nichts unternehmen, was du nicht auch willst. Aber geht es dir wirklich gut damit?«
    »Ja. Glaub mir. Die Arbeit ist nicht so schlimm«, log ich. »Es gibt einen Getränkeautomaten.«
    »Oh. Toll.« Sie klang sarkastisch. »Wenn es einen Getränkeautomaten gibt, muss es ja paradiesisch sein.«
    Ich musste lachen. »Der spuckt sogar Eistee aus.«
    Auch Annette kicherte. »Jetzt bin ich endgültig überzeugt.« Dann wurde sie wieder ernst. »Danke, dass du es mir gesagt hast. Du kannst mir vertrauen.«
    Ich sah sie zögernd an. Annette war größer geworden, und ihre Sommersprossen waren verblasst, aber sie war immer noch dasselbe Mädchen, das mir seit unseren gemeinsamen Tagen in Mr Bogarts Klasse eine treue Freundin war. »Ich muss dir noch etwas erzählen.« Ich hatte ihr nichts davon gesagt, dass mich die Schule des Betrugs verdächtigte – hauptsächlich deshalb, weil mir die ganze Angelegenheit so entsetzlich unangenehm war, dass ich es nicht ertrug, darüber zu sprechen. Jetzt erzählte ich ihr die ganze Geschichte, von
dem Vorfall mit Tammy im letzten Jahr bis zu der mündlichen Prüfung, die mich erwartete.
    »Kimberly, ich kann nicht glauben, dass du mir erst jetzt davon erzählst! Warum hast du nicht einfach gesagt, dass Tammy diejenige war, die betrogen hat?«
    »Weil ich in Wirklichkeit gar nicht so schlau bin.«
    »Nein, du bist nur einfach keine Petzerin, das ist alles. Das hast du früher immer gesagt, weißt du noch?«
    Wir brachen wieder in Gelächter aus, aber dann fiel mir ein, wo wir waren, und ich ermahnte Annette rasch zur Ruhe.
    »Den Test schaffst du doch locker«, sagte sie. »Du wirst mit allem fertig, was sie dir vorsetzen.«
    »Ich hoffe es.« Ich war mir da nicht so sicher. »Aber sie können die Prüfung besonders schwer machen.«
     
    Wenn wir aus der Fabrik nach Hause kamen, kochte Mama immer das Abendessen für den nächsten Tag, damit wir es mit zur Arbeit nehmen konnten. Wenn es nicht zu kalt war, spielte sie danach noch ein wenig auf ihrer Geige. Für mich war das der schönste Moment des Tages. Und wenn sie dann keine Arbeit aus der Fabrik mitgebracht hatte, die sie fertig machen musste, kämpfte sie gegen die Erschöpfung an, um so viel Englisch wie möglich zu pauken. Sie hatte nämlich angefangen, sich auf den Einbürgerungstest vorzubereiten. Genau wie ich, wenn ich Hausaufgaben machte, legte sie eine Rolle Klopapier bereit, damit sie die Kakerlaken, die über die Seiten ihres Buchs krabbelten, damit zerdrücken konnte. Während sie lernte, erledigte ich meine Hausaufgaben und las die Bücher, die ich zur Vorbereitung auf meine mündliche Prüfung aus der Bibliothek ausgeliehen hatte.
    Mit vierzehn konnte ich den Einbürgerungstest noch nicht selbst ablegen, aber ich bekam automatisch die amerikanische
Staatsbürgerschaft, wenn Mama ihn bestand. Und das war unerlässlich, wenn ich später Anspruch auf Finanzierungshilfe für mein Studium haben wollte. Mama hatte sich einen billigen Kassettenrekorder und ein Lehrbuch mit Kassette gekauft. Nachdem sie sich die Kassette mehrmals angehört hatte, merkte sie sich die richtigen Antworten allein nach Gehör. Ich schielte auf ihren Notizblock, der vollgekritzelt war mit phonetischen Symbolen wie eine Partitur. Bestimmt hatte sie nicht die geringste Ahnung, was die Sätze bedeuteten. Wenn ich

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