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Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Titel: Goodbye Chinatown: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Kwok
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versuchte, ihr Grammatik und Bedeutung zu erklären, hörte sie höflich zu, aber ich sah nie auch nur das geringste Verständnis in ihren Augen aufglimmen.
    »Sinntsi Kommunistinn?«, fragte sich Mama auf Englisch.
    Das Buch ließ keinen Zweifel daran, dass es nur eine korrekte Antwort gab: »Nein!«
    Annette mochte sich Kommunistin nennen, aber ich wusste, dass jeder, der diese Frage mit Ja beantwortete, Probleme bei der Einbürgerung bekam. Wir waren keine gebürtigen Amerikanerinnen wie Annette. Man konnte uns immer noch aus dem Land werfen.
    Nachdem ich an diesem Vormittag in der Schule mit Annette über meine Probleme gesprochen hatte, hatte ich das Gefühl, auch mit Mama reden zu müssen. Bevor wir schlafen gingen, erzählte ich ihr die ganze Geschichte.
    Sie hielt den Kopf auf ihrem schmalen Hals hoch erhoben, und ihre Augen funkelten. »Mein kleines Mädchen würde niemals betrügen!«
    »Das denken sie aber, weil sie mich im Verdacht haben, schon früher betrogen zu haben.«
    »Wenn du so geradlinig bist wie ein Pfeil, musst du deinen Lebensunterhalt mit Betteln verdienen«, zitierte Mama seufzend
eine kantonesische Redensart über die Nachteile eines zu ehrlichen Charakters. »Willst du, dass ich mit der Lehrerin rede?«
    »Nein, Mama.« Ihre Sprachprobleme erwähnte ich lieber nicht. »Außer mir selbst kann sie sowieso niemand von meiner Unschuld überzeugen. Ich muss einfach die Prüfung bestehen.«
     
    Eine Woche vor meiner großen mündlichen Prüfung beschloss Annette, dass mir ein wenig Entspannung guttäte. Sie ignorierte meine Proteste, dass ich meine gesamte Freizeit zum Lernen bräuchte, und bestand auf einem Besuch bei Macy’s. Seit unserer BH-Kauf-Expedition vor zwei Jahren waren Mama und ich zwar noch ein paar Mal dorthin zurückgekehrt, um neue Unterwäsche für mich zu kaufen, aber wir fühlten uns jedes Mal so unwohl, dass wir das Kaufhaus schnell wieder verließen. Ich konnte mir schwer vorstellen, was an einem Ausflug zu Macy’s entspannend sein sollte, beschloss aber wie immer, Annette zu vertrauen.
    Wenn ich mit Annette etwas unternahm, musste ich Mama jedes Mal anlügen, weil sie außerschulische Aktivitäten für unwichtig hielt und Angst hatte, dass mir etwas passierte, wenn ich ausging. Außerdem wusste ich genau, dass sie sich verpflichtet fühlen würde, sich zu revanchieren, wenn sie von unserem Ausflug erfuhr.
    Dieses Mal hielt ich mich im Hintergrund, während Annette zu den Parfümdamen ging und ihnen selbstbewusst das runde Handgelenk entgegenstreckte. Ich trippelte ihr einfach hinterher. Die Parfümspritzer fühlten sich kalt an. Wir hielten die Nase erst an unseren eigenen Arm und dann an den der anderen, auch wenn das gar nicht nötig war: Man hätte uns auch im Nebenzimmer noch gerochen.
    Nachdem wir sämtlichen Parfümdamen einen Besuch abgestattet hatten, umrundeten wir die glänzenden weißen Ladentheken, machten uns über die Probeflakons her und sprühten jedes Parfüm auf ein noch unbenutztes Stück Haut. Es wurde immer schwieriger, einen Körperteil zu finden, der noch nicht besprüht worden war. Wir fingen bei den Handgelenken an, arbeiteten uns die Arme hoch, besprühten dann unsere Hälse, unsere Wangenknochen und das Dekolleté. Dabei kicherten wir wie verrückt, und als wir uns später voneinander verabschiedeten, fühlte ich mich so glamourös wie die Frauen auf den Werbeplakaten.
    Als ich jedoch einige Stunden später in der Fabrik auftauchte, blickte Matt von seiner Dampfbügelmaschine auf, schüttelte sich vor Lachen und wedelte wild mit der Hand vor der Nase herum.
    Ich war zutiefst erschrocken darüber, dass er mich trotz der riesigen Dampfwolken, die ihn umgaben, riechen konnte.
    Nachdem ich auf dem Absatz kehrtgemacht hatte, rannte ich auf die Toilette, um mir so viel Parfüm wie möglich abzuschrubben, aber es war unmöglich, alles loszuwerden. Als ich mich unserer Arbeitsstation näherte, rief Mama schon von weitem: »Ay yah, ah -Kim! Was hast du nur getan?«
    »Annette hatte ein neues Parfüm dabei und hat mich aus Spaß ein bisschen besprüht.«
    »Ein bisschen? Du riechst, als hättest du darin gebadet!« Zum Glück ging Mama der Sache nicht weiter nach.
    Aber als ich mich an diesem Abend über meine Bücher beugte, roch ich noch immer den Duft auf meinen Kleidern und Handgelenken und fühlte mich umschlungen von Annettes Wärme und Freundschaft, von ihrem Vertrauen in mich. Ich fragte mich, ob sie vielleicht genau das damit bezweckt

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