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Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Titel: Goodbye Chinatown: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Kwok
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Dose und einen weißen Haufen, der nach Klopapier aussah, beiseitekicken, bevor er zur Tür gelangte. Das Fenster war vollständig mit vergilbtem Zeitungspapier beklebt. Ich folgte ihm die Treppe hinunter und blieb neben ihm stehen. Als ich mir die Zeitung genauer ansah, stellte ich fest, dass sie chinesisch war.
    Matt klopfte einen Trommelrhythmus an die Tür, offensichtlich ein geheimes Klopfzeichen. Das ganze Gebäude wirkte so verlassen, dass ich überrascht war, als tatsächlich ein winziges Stück Zeitung beiseitegezogen wurde und uns ein Augenpaar aus der Dunkelheit entgegenfunkelte.
    »Wu, dein Sohn«, sagte eine Männerstimme.
    Die Tür wurde entriegelt, und wir gingen hinein. Ich verspürte Neugier und Spannung, aber keine Angst, vielleicht weil Matt bei mir war. Wir sahen den Rücken des Mannes in einem düsteren Flur verschwinden. Der Flur war eng, umso mehr durch die hohen Kistenstapel auf beiden Seiten. In einer Nische führte eine dunkle Treppe scheinbar hinauf ins Nichts, und auf einem Stapel Zeitschriften lag ein verdrehter, verbogener Fahrradreifen.
    »Von deinem letzten Fahrrad?«, murmelte ich.
    Matt gab ein prustendes Lachen von sich, bevor wir dem Mann in ein überfülltes Zimmer folgten. Es sah aus, als wäre es früher mal eine Bar gewesen. Im Zimmer stand der Rauch, und um einen Spieltisch, auf dem sich das Geld stapelte, saß eine Gruppe chinesischer Männer. Die Geldscheine waren alt und abgenutzt, lagen aber in ordentlichen Stapeln aufeinander. Nur der Haufen in der Mitte des Tisches war ungeordnet. Die Männer hatten das Zimmer komplett von der Außenwelt abgeschirmt, indem sie alle Fenster zugenagelt hatten. Durch die wenigen Spalten zwängten sich hauchdünne Sonnenstrahlen und brachten die matte Bronzefarbe der Barhocker zum Funkeln.
    Im gelblichen Schein der wenigen Glühbirnen, die von der Decke baumelten, musterte mich Matt prüfend, wie um herauszufinden, ob ich ihm böse war, weil er mich hierhergebracht hatte. Indem er mir seinen Vater an einem so schäbigen Ort präsentierte, nahm er die Maske ab und entblößte sich. Er musste sich mir so nahe fühlen wie sonst niemandem. Ich nickte ihm kurz zu. Das schien ihn zufriedenzustellen, denn er drehte sich wieder zu den Männern um, die mich inzwischen entdeckt hatten.
    »Das ist hier keine Touristenattraktion«, sagte einer von ihnen.
    »Sie gehört zu mir.« Matt hatte in einer Ecke einen Stuhl aufgeklappt und bot ihn mir an. Er selbst stand neben mir und schirmte mich so vom Rest des Zimmers ab.
    Ich hatte so viel Geld auf dem Tisch liegen sehen, dass ich durch den blauen Rauch hindurch seinen säuerlichen Geruch wahrzunehmen glaubte.
    »Hier habt ihr was zu trinken, Kinder«, sagte der Mann hinter der Bar und schob zwei offene Bierflaschen zu uns hinüber.
    Matt nahm sie entgegen und gab mir eine davon. Ich hatte noch nie Alkohol getrunken und nahm vorsichtig einen Schluck. Das Bier schmeckte bitter und trieb mir die Tränen in die Augen, aber ich schaffte es, mir meinen Widerwillen nicht zu deutlich anmerken zu lassen. Nach dem ersten Schluck nippte ich nur noch an der Flasche, aber Matt trank sein Bier, als hätte er nie etwas anderes getan.
    Die Männer wandten sich wieder ihrem Spiel zu. Sie hatten Gläser mit Schnaps in der Hand und warfen immer mehr Karten auf den Tisch. Matt ging zu dem Mann, der vor uns saß, und tippte ihm auf die Schulter. Das musste sein Vater sein. Der Mann drehte sich um und schien verärgert zu sein, beim Spielen unterbrochen zu werden. Matt gab ihm einen dünnen Umschlag aus der Innentasche seiner Jacke. Überrascht sah ich zu, wie sein Vater den Umschlag öffnete, zufrieden nickte und den Inhalt, der aus Bargeld bestand, sofort auf seinen Stapel auf dem Tisch legte. Dann stieß er Matt mit dem Handrücken von sich weg. Er hatte ihn weder begrüßt noch sich bei ihm bedankt.
    Matt kam mit hängenden Schultern zu mir zurück und wich meinem Blick aus. Ich stand auf und drückte seinen Arm, bevor ich ihn auf meinen Stuhl hinunterzog, um die impulsive Geste zu überspielen.
    »Setz du dich ruhig«, sagte ich. »Ich sehe besser, wenn ich stehe.«
    Aus meinem neuen Blickwinkel konnte ich beobachten, welche Karten die Männer auf den Tisch legten. Mein Kopf drehte sich vor lauter Alkohol und Rauch, aber ich war auch fasziniert von dem chinesischen Kartenspiel, das die Männer spielten und das ganz anders war als jedes westliche Spiel, das ich kannte. Nachdem ich lange genug auf den Tisch gestarrt hatte,

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