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Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Titel: Goodbye Chinatown: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Kwok
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seinen anderen Skulpturen.
    »Die ist ja wunderbar«, staunte ich.
    »Gefällt sie dir?« Jetzt hatten seine Augen einen strahlenden, warmen Blauton. »Du kannst sie haben, wenn du willst.«
    »Oh nein«, wehrte ich rasch ab. Mama hatte mir antrainiert, sämtlichen Verpflichtungen anderen gegenüber aus dem Weg zu gehen. »Eines Tages ist sie bestimmt eine Menge Geld wert. Das kann ich nicht annehmen.«
    Das Licht in seinen Augen erlosch, aber es war ohnehin Zeit, mit der Nachhilfestunde anzufangen.
     
    In der elften Klasse verliebte sich Annette ins Theater. Es fing in der Bibliothek an, wo sie mir einen Besuch abstattete und von Simone de Beauvoir schwärmte.
    »Sie schreibt, dass Frauen früher als rätselhafte, andersartige Wesen wahrgenommen und dadurch von der Gesellschaft ausgeschlossen wurden und dass diese Wahrnehmung zur heutigen männerdominierten Gesellschaft geführt hat. Menschen anderer Rassen und Kulturen werden auf dieselbe Weise wahrgenommen und ausgeschlossen, und zwar von der jeweils machthabenden Gruppe.« Annette gestikulierte wild mit den Händen, wie immer, wenn sie sich leidenschaftlich für ein Thema engagierte.
    Mr Jamali war hinter mich getreten. »Schau dir diese Gesten an: so ausladend, so dramatisch! Du müsstest auf die Bühne!«
    »Wirklich?« Annette stemmte die Hände in die Hüften und sah nachdenklich aus. »Auf die Idee bin ich noch nie gekommen.«
    »In zwei Wochen haben wir ein Vorsprechen. Du könntest dein Verhältnis zur Andersartigkeit erkunden, indem du in einer Rolle du selbst bist und doch wieder nicht.«
    Das genügte, um Annettes Interesse zu wecken. Sie bekam zwar anfangs nur kleinere Nebenrollen, aber ich sah sofort, dass Mr Jamali recht hatte: Sie hatte tatsächlich eine besondere Ausstrahlung auf der Bühne. Ihre auffälligen roten Haare
und ihr leidenschaftliches, kritisches Wesen verschmolzen im Scheinwerferlicht zu einer unwiderstehlichen Mischung. Mr Jamali fand, sie habe großes Talent, das jedoch in die richtigen Bahnen gelenkt und verfeinert werden müsse.
    Immer stand er mit seiner wunderschönen bestickten Tunika in der Nähe und sagte: »Sehr gut, das war schon fast perfekt. Und jetzt noch einmal mit ein wenig mehr Zurückhaltung, ohne dabei an Intensität zu verlieren!«
    Voller Stolz saß ich im abgedunkelten Zuschauerraum und sah Annette bei den Proben zu. Da die Aufführungen meist am späten Nachmittag oder Abend stattfanden, hätte ich die Stücke sonst nie zu sehen bekommen.
     
    Nelson war Mitglied im Debattierklub seiner Schule, und weil er sich Siegchancen bei Wettbewerben ausrechnete, waren wir eingeladen worden, ihn ebenfalls zu bewundern. Also zwängten wir uns alle zusammen in den Minivan von Tante Paula und Onkel Bob. Mama und ich saßen ganz hinten, aber wir hörten trotzdem alles, was sich im vorderen Teil des Wagens abspielte.
    »Das ist aber mein schönstes Hemd!«, protestierte Onkel Bob gerade. Er hatte sich für den Anlass extra ein Seidenhemd angezogen. »Das habe ich aus China mitgebracht. Ich wollte doch nur …«
    »Du blamierst mich vor meinen Freunden«, warf ihm Nelson vor.
    »Genau«, meldete sich Godfrey zu Wort, der mittlerweile acht war. »Was für ein bescheuertes Hemd.«
    »Du siehst schwul aus«, fügte Nelson hinzu. »Nee, wie ein Zuhälter.«
    Letztendlich mussten wir umkehren und zurück nach Hause fahren, damit sich Onkel Bob umziehen konnte. Nelson
sorgte auch dafür, dass Tante Paula ihren Goldschmuck auszog, weil er behauptete, dass Gold billig und geschmacklos aussehe, vor allem chinesisches Vierundzwanzig-Karat-Gold.
    »Tja, die Kinder entwickeln eben ihren eigenen Geschmack«, sagte Tante Paula. »Was ist mit dir, Kimberly? Du hast doch sicher auch viele Hobbys außerhalb der Schule?«
    »Dafür habe ich keine Zeit«, antwortete ich.
    »Wie schade. Die sind so wichtig fürs College.«
    Tante Paula glaubte, ich sei immer noch so schlecht in der Schule wie zu meinen Anfängen an der Harrison School. Mama und ich hatten sie nie eines Besseren belehrt, weil dieser Glaube ihre Wut und ihren Neid zu besänftigen schien.
    »Wie hast du bei den Zentralklausuren abgeschnitten?«
    »Gut.« Ich hatte gute Noten bekommen, während Mama durch den Einbürgerungstest gerasselt war, genau wie wir beide erwartet hatten.
    Bevor wir das Haus zum zweiten Mal verließen, musterte Nelson kritisch Mamas einfache Kleidung. Er öffnete den Mund, um eine abfällige Bemerkung zu machen, aber ich baute mich vor ihm auf und sagte auf

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