Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)
unserer Wohnung umsah, trat ein mitleidiger Ausdruck in seine Teddybäraugen.
»Ich tue, was ich kann, liebe Leute«, sagte er, »aber versprechen kann ich nichts. Dieser Typ hat das Ding ja ganz schön zugerichtet.«
»Bitte«, flehte ich und hatte Mühe, die Panik aus meiner Stimme herauszuhalten. »Bitte versuchen Sie es.« Mein Atem bildete weiße Wölkchen. Wenn er den Ofen nicht repariert bekam, wusste ich nicht, wie wir die nächste Nacht überstehen sollten. Mit jedem Tag ohne Backofen war die Wohnung kontinuierlich immer kälter geworden. Es wurde bereits dunkel draußen, und ich hörte, wie der Wind an die Hauswand peitschte.
»Schon gut, Süße«, sagte er. »Du und deine Mom, ihr ruht euch jetzt ein bisschen aus, und ich schaue in der Zwischenzeit, ob ich schlau werde aus diesem Ding.«
Und das tat er tatsächlich. Mit seinen dicken Fingern schraubte er jedes Teil sorgsam wieder an seinen Platz, und als der Ofen schließlich mit einer blauen Stichflamme zu neuem Leben erwachte, klatschte Mama vor Glück in die Hände.
Sie versuchte, ihm ein Trinkgeld zu geben, nur einen Dollar, aber er drückte ihr den Schein sanft in die Hand zurück.
»Behalten Sie das«, sagte er mit seiner langsamen, tiefen Stimme. »Kaufen Sie sich lieber was Schönes.«
So einen Mann hätte ich gerne als Vater gehabt.
Matt hatte mittlerweile die Highschool abgebrochen, um ganztags arbeiten zu können. Da er jetzt schon morgens in der Fabrik anfing, war er oft früher mit der Arbeit fertig und konnte vor uns die Fabrik verlassen. Ich hatte unterdessen die Sondererlaubnis erhalten, Erstsemesterkurse für Medizin an der Polytechnischen Universität von Brooklyn zu belegen, und sah manchmal Vivian vor der Fabrik auf ihn warten, wenn ich am späten Nachmittag von der Uni kam.
An einem frühen Abend im Frühling stand Vivian wie gewöhnlich draußen und wartete, bis Matt mit der Arbeit fertig war. Wie so oft hatte sich auch heute ein Grüppchen Halbstarker aus Chinatown um sie geschart, und ich war überrascht, dass einer der Jugendlichen eine große Hängepflanze in der Hand hatte. Er hatte Akne im Gesicht und beugte sich gerade zu Vivian hinunter, so dass die gesprenkelten Blätter der Pflanze ihre hübschen Cowboystiefel streiften. Nachdem sie ihm etwas zugemurmelt hatte, hob er die Pflanze sofort höher, damit sie nicht auf den Gehweg hing. Die Pflanze gehörte natürlich ihr, und er hielt sie nur für sie.
Die Jungen waren so damit beschäftigt, Vivian zu beeindrucken, dass sie keinerlei Notiz von mir nahmen. Sie sprachen sogar englisch, um cooler zu wirken.
»Hallo Kimberly!«, riefVivian, als ich auf den Eingang zuging.
»Hallo«, sagte ich.
Ein paar der Halbstarken blickten auf, fanden mich aber
nicht interessant genug und drehten sich wieder zu Vivian um.
In diesem Moment ging die Tür auf, und heraus kam Park, der wie immer auf den Boden starrte und mich deshalb nicht sah. Als er gegen mich prallte, brach die ganze Gruppe in Gelächter aus. Park trug eine leuchtend orangefarbene Hose, und sein kariertes Hemd war falsch zugeknöpft und staute sich am Hals.
»Hast du dir wehgetan?«, fragte Vivian.
Park antwortete nicht, sondern ging einfach weiter, vorbei an der Gruppe.
Einer der Jugendlichen, ein Junge mit einem roten Tuch um den Kopf, stellte sich ihm in den Weg und sagte wie ein Gangster aus einem schlechten Film mit chinesischem Akzent: »Lady hat dich was gefragt.« Dann wechselte er die Sprache und rief auf Chinesisch: »He, du mit der weißen Krankheit!«
»Nenn ihn nicht so«, sagte ich.
»Bist du sein Babysitter, oder was?«, wollte das rote Kopftuch wissen.
»Ist doch kein Problem«, beschwichtigte ihn Vivian. Sie hatte das Gesicht zu einem angestrengten Lächeln verzogen und schien nicht recht zu wissen, was sie tun sollte.
Der Junge gab Park einen kräftigen Schubs, zweifellos in dem Glauben, damit Eindruck bei ihr schinden zu können. »Jetzt sag endlich was!«
»Hör auf!«, befahl ich.
Aber er schubste Park weiter herum. »Na los! Die Lady hat dich was gefragt, also antworte! Komm schon!« Er unterstrich jedes Wort mit einem Stoß. Parks Blicke schossen in alle Richtungen, verwirrt und orientierungslos.
Vivian stand einfach da wie gelähmt.
Ich stellte mich vor das Rote Kopftuch. »Hör sofort damit
auf!«, rief ich und zog ihm das Tuch vom Kopf, unter dem verfilzte Locken zum Vorschein kamen. »Wenigstens ist er nicht so hässlich, als wäre er aus Affenessenz.«
Die ganze Bande
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