Google-Mitarbeiter Nr. 59
gingen nicht mehr und beendeten die Nacht auf dem Fußboden. Das war jedoch riskant, denn die Auszeit machte sie verletzlich für die angeberischen Streiche derjenigen, die noch nüchtern genug waren, um stehen zu können. Andere konnten sich nicht mehr erinnern, wo sie umgekippt waren: Ein Techniker wachte ohne seine Kleidung auf und entdeckte schließlich, dass er sie beim Whirlpool gelassen hatte. Verlegen holte er sie sich am Empfang wieder ab. Die ganze Nacht über wechselten mit weißen Handtüchern gekleidete Personen von Raum zu Raum, dann hinunter zur Bar oder raus zum felsumhüllten Spa. Das Ganze war wie ein Fruchtbarkeitsfest der Römer zum Einläuten des Frühlings.
Als das Unternehmen größer wurde, nahmen auch mehr Nicht-Techniker teil. Viele waren weiblich. Der Google-Skiausflug wurde bekannt als eine große Party, auf der man so richtig abstürzen konnte. Mit Live-Musik zum Tanzen von Bands wie den Fabulous Thunderbirds, reichlich Alkohol und vielen jungen, alleinstehenden Menschen, die den Stress des Lebens im Silicon Valley abschütteln wollten. Ungeladene Gäste waren zahlreich.
Ich lud mich nach meinem ersten Ausflug selber aus und konnte ungestört im Plex arbeiten, da die Telefone um mich herum unbeachtet blieben. Ich führte Bewerber durch leere Flure und aß Pizza, die ich für die paar Mitarbeiter bestellt hatte, die außer mir anwesend waren. Die Skiwoche wurde zu dem Zeitraum, in dem ich meine Mailbox abarbeiten und bei nachhinkenden Projekten aufholen konnte.
2007 machte die Größe des Unternehmens den jährlichen Skiausflug unmöglich und Google beendete ihn zugunsten von kleineren Ausflügen zu familienfreundlicheren Örtlichkeiten wie Disneyland. Das war sicher eine gute Sache, obwohl ich auch die Narben schätzte, die ich bei Broomball 75 gesammelt hatte, und den Kameradschaftsgeist bei gemeinsamen Erlebnissen auf den Pisten und in der Lodge. Meine wohligen Gefühle enden allerdings am warmen Whirlpool und den Plaudereien vor dem Kamin und sind dementsprechend nicht so hitzig wie jene, die von meinen munteren Kollegen angefacht wurden. Aber danach müssen Sie diese schon selber fragen.
Überraschend gute Neuigkeiten
»Tisch! Tisch! Tisch!«, skandierte die Menge beim TGIF.
An der Stirnseite des Raums grinste Omid Kordestani, Head of Sales, zupfte am Bein seiner schwarzen Armani-Hosen und kletterte mit einem Mikrofon auf einen Konferenztisch. Die Menge brach in Jubel aus.
»Omid! Omid! Omid!«, skandierten wir jetzt.
Omid war bei Google sehr beliebt. Er kam zum TGIF immer mit einem Grinsen im Gesicht, einem Scherz auf den Lippen und einer Menge Zahlen, die positive Schlussfolgerungen zuließen.
Sobald wir Anfang 2000 den OKR-Prozess eingeführt hatten, gaben Larry und Sergey Omid ein Ziel: Er sollte eine halbe Million Dollar Anzeigenumsatz bis zum Ende des ersten Quartals verbuchen. Meine Vermutung war, dass Larry und Sergey Omid grillen wollten. Es war schließlich die erste Periode unseres ursprünglichen Anzeigenprogramms (lange bevor AdWords eingeführt wurde). Kundenkontakte oder Umsatzzusagen galten bei der Bewertung nicht. Larry und Sergey akzeptierten nur echte Dollars auf der Bank. Omid hatte weniger als ein halbes Dutzend Mitarbeiter in seiner Abteilung, und Google war außerhalb des Silicon Valley unbekannt. Wir hatten Technikprobleme, unvollständige Tools sowie eine unzuverlässige Infrastruktur und unsere Wettbewerber schlossen Deals mit hohen Rabatten ab.
Dennoch gab Omid Anhaltspunkte, dass die Zahlen gut aussahen, als er seine Fortschritte bei unserem wöchentlichen TGIF präsentierte. Aber erst gegen Ende des Quartals sahen wir, wie gut die Zahlen tatsächlich aussahen.
Omid stand auf und redete mit dem klassischen Showmachertiming über die Schwierigkeiten, das aggressive Ziel des Teams nur Monate nach der Einführung eines neuen Produktes zu erreichen. Er zeigte Charts mit unentzifferbaren Fußnoten und Tabellen voller Zahlen, die zu klein zum Lesen waren. Angesichts all der Herausforderungen, vor denen sein Team stand, berichtete er uns, könnten wir glücklich sein, überhaupt neuen Umsatz zu generieren. Dann deckte er mit einem Grinsen und einem Tusch auf, dass Google 636.999 Dollar in dem Quartal verbuchen konnte. Der Umsatz war bereits verbucht. Das Vertriebsteam hatte außerdem mehr als eine Million Dollar an Umsatzzusagen gesichert und das Unternehmen auf Kurs für ein tolles zweites Quartal gebracht. Der Applaus war augenblicklich und lang
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