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Google-Mitarbeiter Nr. 59

Google-Mitarbeiter Nr. 59

Titel: Google-Mitarbeiter Nr. 59 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Edwards
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studiert. Als ich sie schließlich kennenlernte, war ich überrascht von der Intensität und Bandbreite ihrer Interessen. Falls alle anderen in dem Unternehmen als Hundert-Watt-Birne bezeichnet werden konnten, die allein eine ganze Ecke ausleuchteten, so war Marissa ein blinkendes Neonlicht, das Licht und Schatten über den gesamten Google-Komplex warf. Zu versuchen, mit ihr mitzuhalten, konnte Krämpfe auslösen. Ihre vorrangige Aufgabe war Softwaretechnikerin, aber zeitweilig arbeitete sie auch am UI-Design. Sie war auf Studien gestoßen, die besagten, dass serifenlose Schriften leichter lesbar seien. Deshalb hatten sie und der Techniker Craig Silverstein entschieden, die Schrift der Ergebnisse auf Verdana umzustellen. Das passierte nicht etwa, weil Karen und ich den Wechsel zu einer serifenlosen Schrift in unseren Richtlinien vorgeschlagen hatten. Tatsächlich hatte Marissa unseren Vorschlag vermutlich nie zu Gesicht bekommen.
    »Es wäre nett, davon zu erfahren, dass die Technik bereits am UI arbeitet«, beschwerte ich mich bei Karen. Das untergrub unsere bisherige Arbeit und ließ mich auch an der internen Kommunikation zweifeln. Aber außer mir schien sich niemand aufzuregen, also ignorierte ich das leise Klingeln der Alarmglocke in meinem Kopf und verbuchte das Ganze dahingehend, dass die Marketingorganisation noch ganz frisch war. Es war toll, dass unsere Techniker Verbesserungen fanden. Ich wollte lediglich nicht kalt erwischt werden, wenn sie diese einführten.
    Genauso zuversichtlich ignorierte ich meinen ersten Eindruck von der Art und Weise, wie die beiden Abteilungen Probleme angingen. Wir im Marketing formulierten Vorschläge, reichten Ideen ein und suchten nach breiter Zustimmung, bevor wir dann einen Schritt nach dem anderen machten. Unsere Techniker trafen schnelle, auf Daten basierende Entscheidungen und setzten diese um. Wenn die Daten eine spezielle Option unterstützten, so begründeten die Techniker, war es die richtige Entscheidung. Daten logen nicht. Wenn die Zahlen sagten, dass ein Wechsel von A nach B das Produkt X verbessere, warum es dann nicht sofort tun? Diese Einstellung war der Motor der Dringlichkeit bei Google. Techniker wissen, wie man Dinge verbessert, und mit jeder Stunde, Minute oder auch nur Sekunde, die wir Verbesserungen hinausschoben, mussten die User suboptimale Interaktionen mit unserer Site erdulden. Das war inakzeptabel.
    Ich würde allerdings noch herausfinden, dass die Daten doch logen. Manchmal ist die Methode der Sammlung von Daten fehlerhaft, manchmal werden sie falsch interpretiert oder aber sie stellen nur einen Teil der Antwort dar. Nehmen wir den Wechsel zu Verdana. Während diese Schrift auf manchen PCs und Browsern toll aussieht, erweist sie sich auf anderen als scheußlich, vor allem bei denen, die vor allem von America-Online-Kunden genutzt werden. Im Grunde wurde Google dadurch für Millionen Menschen unbrauchbar. Auf dieser Plattform hatten Marissa und ihre Techniker die Schrift nicht geprüft. Das Problem wurde rasch korrigiert, aber obwohl ich den Wechsel zu einer serifenlosen Schrift unterstützte, blieb bei mir eine Skepsis zurück, inwiefern Zahlen in der Lage sind, »die ganze Geschichte« zu erzählen. Diesen Vertrauensverlust schien ich jedoch als Einziger inmitten der Google-Kabbala der datenbasierten Göttlichkeit zu erleiden.
    »Wir akzeptieren dich«
    TGIF war das jeden Freitag um 16.30 Uhr stattfindende Treffen, bei dem sich alle neuen Googler (auch Noogler genannt) vorstellten und die Gründer alle wichtigen Neuigkeiten der Woche verkündeten. Bei meinem Debüt war die gesamte Belegschaft im Flur vor Sergeys und Larrys Büro versammelt, lehnte an den Wänden, saß auf Gummibällen oder streckte sich auf dem Boden aus. Urs’ Hund Yoshka beschnüffelte Susans neugeborenen Sohn, der vor einer Wand von Sony Monitoren, die in ihren Transportkisten gestapelt waren, in seinem Maxi-Cosi schlief. Larry, in schwarzen Hosen und einem langärmeligen dunkelblauen Hemd, das bis zum Kragen zugeknöpft war, trat vor die Menge. Er benahm sich, als liefe sein Skelett mit einem bedauernswert schwachen Prozessor – steife, ungelenke Bewegungen und verlegenes Grinsen –, als müsse er sich ermahnen, zu lächeln und dann mühselig das Kommando in die Tat umsetzen. Zieh die Mundwinkel hoch. Ziehe die Lippen zurück. Lege die Haut neben den Augen in Falten. Ich merkte, wie ich ihn innerlich anfeuerte, alles erfolgreich zu kompilieren. Manchmal blieb er jedoch

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