Google-Mitarbeiter Nr. 59
nicht, den wir benutzt hatten. Cindy fand, dass eine Anzeige zu sehr der eines Wettbewerbers ähnelte. Ein Model war zu jung, ein anderes zu alt. Ich entfesselte Sergeys eigene Logik wie ein Schäferhund, um die Herde der Ad-hoc-Kritik in Schach zu halten.
»Es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir jemals 50 Anzeigen zusammenbekommen, die jedem von uns gefallen«, gab ich zu bedenken. »Und selbst wenn dem so wäre, haben wir noch lange keine Garantie, dass die Anzeigen auch unseren Usern gefallen. Deshalb testen wir sie.«
»Gutes Argument«, stimmte Sergey zu. »Wir müssen nicht jeden glücklich machen.« Trotzdem blieb der Strom der Kritik ungebrochen.
»Zu langsam.«
»Zu viele Streifen.«
»Zu viele Wörter.«
Nach einer weiteren Woche abgeschossener Pfeile schaltete sich Sergey erneut ein.
»Wir sollten ein paar davon ausprobieren«, sagte er, »und sehen, was sie bringen. Wir verschwenden Zeit, wenn wir sie nicht einsetzen und das ultimative Feedback bekommen – startet sie einfach. Es ist keine Fernsehkampagne. Zeigt die 100 Banner, seht, was sie bringen, und dann überarbeitet sie.«
Ich war froh, dass Sergey gesprochen hatte. Es war Zeit für den Banner-Zug, aus dem Bahnhof zu fahren.
Das war der Moment, in dem sich Shari, die Offline-Brand-Managerin, auf die Schienen warf. »Sergey«, sagte sie. »Ich stimme dir ja zu, dass nicht alle perfekt sein müssen. Aber wenn wir nicht einen gewissen Qualitätslevel setzen, dann schaden wir möglicherweise unserem Markennamen. Aus dem Grund stellen Unternehmen erfahrene Marketingleute ein. Bitte … vertrau unserem Urteil.«
Jetzt saß ich zwischen Shari, deren professionelle Meinung ich schätzte, und Sergey, der mein Recht verfocht, Ideen am Markt zu testen. Ich führte rasch die Korrekturen durch, denen ich zustimmte, und gab für alle anderen grünes Licht.
Die Verhandlungen waren beendet. Die kreative Arbeit war getan. Jetzt mussten die Anzeigen nur noch auf unseren Partnerwebsites platziert werden, damit wir sehen konnten, welche am besten funktionierten. Das war der Moment, in dem ich lernte, dass nicht jede Dotcom so arbeitet wie Google. Die Leute, denen unsere Partner ihre Anzeigeninventarisierung anvertrauten, waren absichtlich störrisch oder unabsichtlich unfähig – oder beides. Die einen hielten sich nicht an die Termine für das Anzeigen der Banner, wie wir das gerade vertraglich vereinbart hatten. Andere weigerten sich, auf wiederholte Anrufe und E-Mails zu reagieren. Nicht einmal Netscape konnte mir bestätigen, dass sie irgendeine der Millionen Anzeigen geschaltet hatten, die sie uns liefern mussten.
Als die Anzeigen dann liefen, waren die Ergebnisse enttäuschend. Meine Erwartungen waren nicht allzu hoch, da ich gesehen hatte, dass die Click-Through-Raten (CTRs) im gesamten Web sanken. 28 Als ich die Merc verließ, hatten nur 0,5 Prozent jener, die sich Online-Anzeigen ansahen, diese auch angeklickt. Ich nahm an, dass die Rate seither weiter gesunken war. Als unsere Anzeigen anliefen, war ich deshalb skeptisch, dass sie die 3 Prozent CTR erreichten, die Sergey als Ziel gesetzt hatte. Taten sie auch nicht. Die meisten unserer Banner zogen weniger als 0,3 Prozent nach sich – in Sergeys Augen eine Katastrophe. Er verlangte, dass wir die Anzeigen sofort stoppten, weil er fürchtete, wir würden unseren Vorrat verschwenden. Seiner Meinung nach sollten wir jede Anzeige, die weniger als 1 Prozent brachte, nachdem wir sie fünftausend Mal gezeigt hatten, durch eine kreativere ersetzen. Wir hatten aber zehn Millionen Impressions zu verballern, was bedeutete, Tausende von Banneranzeigen zu entwerfen und zu managen, da selbst erfolgreiche Anzeigen mit der Zeit »ausbrannten«, wenn sie zu oft gezeigt wurden.
Darüber hinaus traute ich den Zahlen nicht, die unsere Partner uns gaben. Netscape behauptete, eine Anzeige habe 476 Prozent CTR, was – da es unmöglich war – das Ergebnis unserer gesamten Kampagne verzerrte. Ich bat unser eigenes Log-Analyse-Team, die tatsächlichen Aufrufe unserer Anzeigen zu ermitteln. Aber niemand hatte die Zeit, unsere Banner von Hand zu kodieren, um das zu ermöglichen.
Jeden Tag sammelte ich die Berichte für jede Anzeige, die wir auf Partnersites stellten, trug sie in eine Tabelle ein und brachte Larry und Sergey persönlich die Ausdrucke. Ich hob die besten Performer hervor und ließ die beiden wissen, welche Anzeigen rein- oder rausgenommen wurden. Die Zuordnung von Daten ließ mein Ansehen in den Augen
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