Google-Mitarbeiter Nr. 59
Marsdens erster Doodle lief, stellte Karen einen Praktikanten ein, der sie beim Updaten der Website unterstützen sollte. Der Praktikant, Dennis Hwang, studierte im Hauptfach Kunst und Computerwissenschaften und hatte Grafiken zu dem »Alligator dreht durch«-Horrorsteifen Lake Placid (»Du kannst nie wissen, was dich beißt«) beigesteuert. Während seines Vorstellungsgesprächs erwähnte Dennis, dass er während seines vorhergehenden Jobs freiwillig an den Wochenenden 30-Stunden-Schichten ohne Bezahlung geschoben hatte. Das erregte unsere Aufmerksamkeit. Und er konnte zeichnen. Im Laufe des nächsten Jahres übertrugen wir Dennis die Verantwortung für das Ausschmücken der Logos. Die Vergabe dieser Aufgaben an Externe stellten wir ein. Warum für die Milch bezahlen, wenn du eine Kuh hast?
»Hey, morgen ist Wahltag! Was für ein Logo haben wir dafür?«, fragte mitunter ein neugieriger Techniker Dennis oder mich beim Mittagessen.
»Oh, etwas echt Cooles. Du wirst sehen«, antworteten wir dann. Anschließend kehrten wir an unsere Arbeitsplätze zurück und überlegten, ob wir tatsächlich ein Logo für den Wahltag entwerfen sollten. Während der ersten Jahre war das der sorgfältig strukturierte Prozess, mit dem wir Homepage-Veränderungen einleiteten. Falls wir entschieden, auf die Anregung einzugehen, machte sich Dennis an die Arbeit und produzierte am laufenden Band Ideen. Dennis schlief nie. In der Stille der Nacht tanzte sein Eingabestift über dem mit seinem Computer verbundenen Zeichenblock. Wenn dann der Morgen graute, war ein neues Logo bereit, die Website zu schmücken.
Eine der wenigen Dekorationen, die wir tatsächlich im Voraus planten, war der Muttertag 2000. Um zu beweisen, dass Google nicht aus Metall und Drähten bestand, die an Positronengehirne angeschlossen waren, schlug ich vor, Fotos von Müttern unserer Kollegen zu sammeln und sie um das alte Gedicht »Was Mutter mir bedeutet« herum zu arrangieren. Geradewegs aus dem Hallmark-Handbuch für die Manipulation von Gefühlen. Wir wurden derartig von Fanpost überflutet, dass es mir peinlich war.
»Eure Mütter müssen so stolz sein«, schrieb uns ein User. »Ich wünsche mir, dass mein Sohn auch bei Google anfängt.«
Wir erhielten noch mehr Lobesbriefe, als wir die Aktion im folgenden Jahr wiederholten. Wie bekamen jedoch auch Fragen wie, warum keine afroamerikanischen Frauen ausgewählt worden waren. Wir antworteten, dass nicht alle Mitarbeiter repräsentiert seien – es war jedoch das letzte Mal, das wir unsere Mütter in Erscheinung treten ließen.
Manchmal ging das Kunstwerk selbst daneben. »Warum habt ihr einen Truthahn, eine Schildkröte und ein Thermometer auf eurem Logo?«, fragten die User, als Dennis den japanischen Feiertag Shichi-Go-San mit einem Kranich, einer Schildkröte und dem traditionellen Süßigkeitenbeutel feierte.
»Warum hat König Neptun einen Ständer?«, kommentierten User eine unvorteilhafte Ausbuchtung in Poseidons Toga in einer Logo-Serie während der Olympischen Spiele, die Figuren aus der griechischen Mythologie zeigte.
»Eure antichristliche politische Korrektheit ist nicht zu übersehen.« »Eure hemisphärische Weltsicht ist nicht zu übersehen.« Beide Beschwerden hörten wir über die verschneiten »Winterszenen«, die wir statt typischer Weihnachtsmotive laufen ließen. Vor allem die Australier wiesen uns deutlich darauf hin, dass im Dezember bei ihnen Hochsommer ist und dass die Winterszenen zeigten, dass wir entweder keine Ahnung hatten oder es uns egal sei – oder beides.
»Wo bleibt euer Patriotismus?«, forderten andere User. »Ihr feiert das Chinesische Neujahr, aber nicht [sucht euch einen aus]: Memorial Day, Veterans Day, D-Day, V-J Day, Presidents’ Day.« Wir wollten, dass die Logos unvorhersehbar und speziell waren, aber schließlich gewannen sie ein Eigenleben mit einem komplizierten Regelwerk, das vorschrieb, was wir feiern und wen wir ehren sollten. Aber das kam erst später. Während der ersten Jahre hatten Karen, Dennis und ich die Zügel in der Hand, wen wir auswählten. Deshalb war der koreanische Befreiungstag auch doppelt so häufig auf unserer Liste wie der Australia Day.
Gut genug ist gut genug
»Wisst ihr, wofür wir als Unternehmen das meiste Geld ausgeben?«, fragte Sergey bei TGIF. Die versammelten Googler blickten von ihren Laptops hoch. Jeder wollte die Chance, vor allen anderen die richtige Antwort zu geben.
»Krankenversicherung!«, rief ein Techniker.
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