GOR-Zyklus 02 - Der Geächtete von Gor
Auffassung bereit war, sich auf das ›Abenteuer der Gastfreundschaft‹ einzulassen, wie es genannt wurde. Vieles sollte anders sein in dieser Stadt – darunter auch die angebliche Tatsache, daß sie von einer Königin, einer Tatrix, beherrscht wurde und daß die Stellung der Frau in dieser Stadt entsprechend mit Privilegien ausgestattet war.
Ich freute mich, daß es wenigstens eine goreanische Stadt gab, in der die freien Frauen nicht das Gewand der Verhüllung zu tragen brauchten und ihr Leben weitg e hend auf ihr Haus beschränken mußten. Auch durften sie dort wohl zu anderen Menschen als nur ihren Blutsve r wandten und Freien Gefährten sprechen.
Ich glaubte, daß ein Teil der goreanischen Barbarei vielleicht auf diese sinnlose Unterdrückung des schönen Geschlechts zurückzuführen war, dessen Sanftheit und Intelligenz einen großen Beitrag zur Milderung der ha r ten Gebräuche leisten konnte. Tatsächlich hatten die Frauen in einigen Städten – wie schon in Ko-ro-ba – eine gewisse Rolle innerhalb des Kastensystems übernehmen können und durften ein relativ unbeschränktes Leben führen.
In Ko-ro-ba konnte eine Frau ihr Haus verlassen, ohne zunächst die Erlaubnis eines männlichen Verwandten oder des Freien Gefährten einzuholen, eine Freiheit, die für goreanische Verhältnisse ungewöhnlich war. Die Frauen von Ko-ro-ba waren sogar ohne Begleitung ins Theater gegangen und hatten Epen gelesen. Überhaupt war die weibliche Freiheit in Ko-ro-ba – außer vielleicht in Tharna – am weitesten fortgeschritten gewesen, doch jetzt gab es Ko-ro-ba nicht mehr.
Ich fragte mich, ob ich in der interessanten Stadt Tha r na vielleicht einen Tarn erwerben konnte. Das würde meine Reise zum Sardargebirge um mehrere Wochen verkürzen. Ich hatte zwar kein Geld zum Erwerb eines Tarns, aber ich dachte mir, daß mein Sold als Schwer t kämpfer ausreichen müßte, um ein Reittier damit zu b e zahlen. Überhaupt war ich nach der goreanischen Auffa s sung als Geächteter ohne eigene Heimatstadt berechtigt, mir zu nehmen, was ich wollte – obwohl ich diese Mö g lichkeit nicht ernsthaft in Betracht zog.
Als ich noch darüber nachdachte, entdeckte ich in ein i ger Entfernung auf einer grünen Wiese die dunkle Gestalt einer Frau. Sie schritt in meine Richtung, ohne mich wahrzunehmen, langsam, bedrückt, ahnungslos, ziellos.
Es ist ungewöhnlich, außerhalb der Mauern einer Stadt auf eine Frau ohne Begleitung zu stoßen. Ich war ve r blüfft, sie hier allein in dieser Wildnis zu treffen, fern von Straßen und Städten.
Ich beschloß, ihre Annäherung abzuwarten.
Ich war verwirrt.
Auf Gor reiste eine Frau gewöhnlich mit einem ausre i chend bewaffneten Trupp von Wächtern. In dieser barb a rischen Welt galten Frauen leider nur zu oft als Erob e rungsobjekte und weniger als Personen, als Menschen mit Rechten und eigenen Sorgen. Man sah sie als Ve r gnügungssklavinnen, ausgeschmückte Gefangene, O b jekte für die Gärten ihrer Eroberer. Es gibt ein Spric h wort auf Gor, wonach die Gesetze einer Stadt über ihre Mauern nicht hinausreichen.
Sie hatte mich noch nicht gesehen. Ich lehnte mich auf meinen Speer und wartete.
Der Brauch der Eroberung ist ein wesentlicher B e standteil des goreanischen Lebens. Es wird als positiv angesehen, wenn man aus einer fremden, vorzugsweise feindlichen Stadt Frauen entführt. Vielleicht ist diese Si t te, die auf den ersten Blick so verwerflich erscheint, für die Rasse ganz positiv zu sehen, verhindert sie doch den allmählichen Niedergang abgeschlossener, sich selbst e r haltender Stadtgemeinschaften. Wenige scheinen sich dieser Maxime zu widersetzen, nicht einmal die Frauen, die doch die Opfer sind. Im Gegenteil – so unglaublich es scheinen mag – es gibt Frauen, deren Stolz verletzt ist, wenn sie des Risikos nicht wert erachtet werden, eines Risikos, das in der Regel in der Verstümmelung oder im Aufspießen besteht. Eine grausame Kurtisane aus der großen Stadt Ar, heute nur noch eine zahnlose, alte Hexe, brüstete sich damit, daß um ihrer Schönheit willen über vierhundert Männer gestorben waren.
Warum war das Mädchen allein?
Waren ihre Beschützer getötet worden? War sie vie l leicht eine entflohene Sklavin, die sich vor einem verha ß ten Herrn in Sicherheit brachte? War sie – wie ich – eine ehemalige Einwohnerin Ko-ro-bas? Die Menschen dieser Stadt waren verstreut worden, sagte ich mir, und keine zwei Steine und keine zwei Einwohner Ko-ro-bas durften jemals
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