GOR-Zyklus 02 - Der Geächtete von Gor
allerdings die erhab e nen Roben der stolzen Kaste der Wissenden trug.
Er schien mit sich zu kämpfen, als wollte er mir eigene Worte sagen und nicht nur die Botschaft der Priesterk ö nige. Er schien vor Schmerz zu zittern, er preßte die Hände gegen den Kopf, er wollte sprechen, wollte mir etwas sagen. Eine Hand streckte sich in meine Richtung, und die Worte, eigene Worte, die nichts von der wide r hallenden Autorität seiner bisherigen Äußerungen hatten, kamen heiser und fast unhörbar.
»Tarl aus Ko-ro-ba«, sagte er, »wirf dich in dein Schwert.«
Er schien zu schwanken, und ich stützte ihn.
Er schaute mir in die Augen. »Wirf dich in dein Schwert«, wiederholte er.
»Wäre das nicht gegen den Willen der Priesterkönige?« fragte ich.
»Ja«, sagte er.
»Warum sagst du mir das?« wollte ich wissen.
»Ich bin dir bei der Belagerung Ars gefolgt«, sagte er. »Auf dem Justizzylinder kämpfte ich mit dir gegen Pa-Kur und seine Attentäter.«
»Ein Wissender?« verwunderte ich mich.
Er schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Ich war einer der Wächter Ars, und ich kämpfte, um meine Stadt zu retten.«
»Das herrliche Ar«, sagte ich leise.
»Das herrliche Ar«, sagte er mit schwacher Stimme, in der Stolz schwang. Er sah mich an. »Stirb, Tarl aus Ko-ro-ba. Held von Ar.« Seine Augen schienen in seinem Kopf zu brennen. »Scheue dich nicht.«
Plötzlich begann er wie ein gequälter Hund aufzuhe u len, und die nun folgenden Ereignisse vermag ich kaum zu beschreiben. Es schien, als begänne das Innere seines Kopfes zu platzen und zu brennen, zu brodeln wie eine schreckliche, flüssige Lava im Krater seines Schädels.
Es war ein häßlicher Tod – und nur weil er mit mir sprechen wollte, weil er mir sagen wollte, was ihn in se i nem Herzen bewegte.
Es wurde langsam hell, und die ersten Schimmer der Dämmerung zogen über den Hügeln auf, die einstmals Ko-ro-ba geschützt hatten. Ich entfernte die verhaßten Roben des Wissenden vom Körper des Toten und trug ihn weit von der Straße fort.
Als ich ihn mit Felsbrocken zu bedecken begann, b e merkte ich die Überreste des Schädels, der kaum mehr als eine Handvoll von Knochenstücken war. Das Gehirn war förmlich herausgebrannt. Das Morgenlicht blitzte kurz auf einem Gebilde zwischen den weißen Knoche n stücken. Ich hob es hoch. Es war ein kleines Netz aus feinem goldenem Draht. Ich wußte nichts damit anzufa n gen und warf es zur Seite.
Ich stapelte Steine über den Körper und errichtete eine Grabstelle, die dem Auge auffiel und die alle Raubtiere abschrecken würde.
Einen großen flachen Stein brachte ich am Kopfende des Grabes an und kratze mit meiner Speerspitze folge n de Worte hinein: ›Ich bin ein Mann aus dem Herrlichen Ar‹. Mehr wußte ich nicht über den Mann.
Neben dem Grab stehend, zog ich mein Schwert. Er hatte mir gesagt, ich sollte mich hineinstürzen, um me i ner Schande zu entgehen, um wenigstens einmal dem Willen der mächtigen Priesterkönige von Gor zu trotzen.
»Nein, mein Freund«, sagte ich zu dem toten Krieger von Ar. »Nein, ich werfe mich nicht in dieses Schwert. Auch unterwerfe ich mich nicht den Priesterkönigen.«
Ich hob das Schwert in die Richtung auf das Tal, in dem Ko-ro-ba gestanden hatte.
»Vor langer Zeit«, sagte ich, »weihte ich dieses Schwert dem Dienste an Ko-ro-ba. Diese Verpflichtung ändert sich nicht.«
Wie jedem anderen Goreaner war mir die Lage des Sardargebirges bekannt, der Heimat der Priesterkönige, eines verbotenen Gebietes, in das kein Mensch im Scha t ten der Berge, kein Sterblicher eindringen durfte. Es hieß, daß der Oberste Heimstein von ganz Gor in diesen Bergen zu finden sei und daß in ihm der Quell für die Macht der Priesterkönige liege; daß kein Mann je einen Priesterkönig gesehen und diese Begegnung überlebt h a be.
Ich steckte mein Schwert wieder ein, befestigte den Helm an meiner Schulter, hob Schild und Speer auf und setzte mich in Bewegung – zum Sardargebirge.
6
Das Sardargebirge, das ich noch nie gesehen hatte, lag über tausend Pasang von Ko-ro-ba entfernt. Während Menschen im Schatten der Berge – wie die gewöhnlichen Sterblichen genannt werden – diese Berge selten betreten und dann auch nicht zurückkehren, dringen doch viele bis an den Rand des unheimlichen Sperrbezirks vor, um im Schatten dieser Klippen zu stehen, hinter denen die Geheimnisse der Priesterkönige verborgen liegen. Tatsächlich wird von jedem Goreaner erwartet, daß er
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