GOR-Zyklus 02 - Der Geächtete von Gor
hastig um und folgte ihrem Herrn. Ich blieb allein im Feld zurück.
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In den Straßen Tharnas herrschte lebhaftes Treiben, doch es war seltsam still. Das Tor hatte offengestanden, und obwohl ich von den Wächtern, Speerträgern in blauen Helmen, eingehend gemustert worden war, hatte niemand sich meinem Eintritt widersetzt. Es schien zu stimmen, was im Lande erzählt wurde – daß die Straßen Tharnas allen Männern offenstanden, die in friedlicher Absicht kamen, aus welcher Stadt sie auch stammen mochten.
Neugierig musterte ich die Menschenmenge, die a n scheinend auf ihre Geschäfte konzentriert waren. Die Einwohner Tharnas waren seltsam verkniffen und stumm; sie unterschieden sich sehr von den normalen, lebhaften Passanten anderer goreanischer Städte. Die meisten Männer trugen graue Tuniken, vielleicht ein Hinweis auf ihre Überlegenheit gegenüber allen Vergn ü gungen, auf ihre Entschlossenheit, ernst und verantwor t lich zu sein, sich als würdige Vertreter ihrer fleißigen und nüchternen Stadt zu präsentieren.
Im ganzen erschienen sie mir als ein bleicher und ni e dergeschlagener Haufen – aber ich war zuversichtlich, daß sie vollbringen konnten, was sie sich vornahmen, daß sie Aufgaben erfolgreich in Angriff nahmen, die der durchschnittliche goreanische Mann in seiner Ungeduld und Leichtherzigkeit einfach als widerlich oder unwürdig abtun würde – denn der Durchschnittsgoreaner, das muß einmal gesagt werden, neigt dazu, die Freuden des L e bens doch etwas höher einzuschätzen als seine Pflichten.
An den Schultern der grauen Umhänge wies nur ein kleiner Farbstreifen auf die Kastenzugehörigkeit hin. Gewöhnlich sind die Kastenfarben in goreanischen Str a ßen nicht zu übersehen; sie erhellen die Straßen und Brücken der Stadt, ein herrliches Schauspiel in Gors schöner klarer Luft.
Ich fragte mich, ob die Männer dieser Stadt vielleicht nicht stolz waren auf ihre Kasten, was im Gegensatz zu den meisten anderen Goreanern gestanden hätte, selbst wenn sie den sogenannten niederen Kasten angehören. Sogar die Mitglieder einer so geringen Kaste wie der der Tarnzüchter waren ungemein stolz auf ihre Berufung, denn wer sonst vermochte die monströsen Raubvögel Gors zu züchten und aufzuziehen? Ich vermutete, daß auch Zosk der Holzträger die Erkenntnis genoß, daß er mit seiner gewaltigen, breiten Axt einen Baum mit einem Schlag fällen konnte – eine gute Leistung, die womöglich ein Ubar nicht fertigbrachte. Und die Kaste der Bauern sah sich gar als der ›Ochse, der die Last des Heimsteins trägt‹ und war selten dazu zu bewegen, ihre schmalen Ländereien zu verlassen, die sie und ihre Vorväter bese s sen und fruchtbar gemacht hatten.
Ich vermißte den Anblick von Sklavenmädchen auf den Straßen, Mädchen, wie sie in anderen Städten häufig a n zutreffen sind, hübsche Geschöpfe in der kurzen, schrä g gestreiften Sklavenkleidung dieser Welt, ärmellose, ku r ze Kleider, die einige Zentimeter über dem Knie enden und die somit sehr von den schweren, hinderlichen G e wändern der Verhüllung abstechen, wie sie von den fre i en Frauen getragen werden. Tatsächlich war bekannt, daß einige freie Frauen neidisch auf ihre leichtbekleideten unfreien Schwestern waren, die zwar die Last eines Kr a gens ertragen mußten, aber in ihrem Leben relativ frei waren, die auf den hohen Brücken den Wind an ihrem Körper spüren konnten, dazu die Arme eines Herrn, der ihre Schönheit zu schätzen wußte und sie zu seiner eig e nen machte. Ich mußte daran denken, daß es in Tharna unter der Tatrix sicherlich nur wenige weibliche Sklavi n nen gab. Ob statt dessen männliche Sklaven gehalten wurden, vermochte ich nicht zu sagen, denn die Kragen wären unter den grauen Umhängen verborgen geblieben. Es gibt in Gor keine typische Kleidung für die männl i chen Sklaven, da es, wie es heißt, unzweckmäßig wäre, ihnen bewußt zu machen, wie zahlreich sie wirklich sind.
Am meisten verblüfften mich in den stillen Straßen Tharnas die freien Frauen. Sie waren ohne Begleitung, trugen ein herrisches Benehmen zur Schau, und die Männer Tharnas gingen ihnen aus dem Weg, damit sie sie ja nicht berührten. Jede dieser Frauen trug ein herrl i ches Gewand der Verhüllung, farbenfroh und vornehm gewirkt, Kleidung, die von den grauen Tuniken der Mä n ner abstach, doch anstelle des Schleiers, der überall auf Gor getragen wurde, waren ihre Züge hinter einer Si l bermaske verborgen. Diese Masken waren von
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