GOR-Zyklus 02 - Der Geächtete von Gor
ihr nicht reden könnt, wenn ihr nicht lachen könnt, dann müßt ihr singen!«
Die Männer waren überzeugt, daß sie einen Verrückten vor sich hatten. Wahrscheinlich lag es am Kal-da, aber vie l leicht reizte mich auch die Ungeduld mit den Männern di e ser Stadt, vielleicht war es ein Aufbäumen gegen das düst e re Tharna und ihre feierlichen, lustlosen, unterwürfigen Einwohner. Die tharnaischen Männer schwiegen weiter.
»Sprechen wir nicht alle die Sprache?« fragte ich und meinte die schöne goreanische Muttersprache, die in den meisten Städten dieser Welt gesprochen wird. »Gehört diese Sprache nicht euch?« fragte ich.
»Doch, ja«, murmelte einer der Männer.
»Warum sprichst du sie dann nicht?« fragte ich herau s fordernd.
Der Mann schwieg.
Der Wirt brachte mir heißes Brot, Honig, Salz und – zu meinem Entzücken – ein großes Stück gebratenes Tarskfleisch. Ich stopfte meinen Mund voll und wusch den Bissen mit Kal-da hinunter.
»Wirt!« schrie ich und klopfte mit dem Speer auf den Tisch.
»Ja, Krieger!«
»Wo sind die Tanzsklavinnen?«
Der Wirt schien wie vor den Kopf geschlagen.
»Ich möchte eine Frau tanzen sehen!«
Die Männer steckten die Köpfe zusammen. Einer fl ü sterte: »Es gibt keine Sklavinnen in Tharna.«
»Wie traurig!« rief ich. »Keine einzige Kragenträgerin in Tharna!«
Zwei oder drei Männer lachten. Endlich drang ich zu ihnen durch.
»Diese Wesen, die hinter ihren Silbermasken durch die Straßen segeln – sind das wirklich Frauen?« fragte ich.
»Aber sicher«, sagte einer der Männer und mußte ein Lachen unterdrücken.
»Das kann doch nicht wahr sein!« rief ich. »Soll ich e i ne hereinholen, damit sie für uns tanzt?«
Die Männer lachten.
Ich tat, als wollte ich aufstehen, und entsetzt drückte mich der Wirt wieder in meinen Stuhl und holte neuen Kal-da. Offenbar wollte er mir so viel Kal-da auftischen, daß ich nichts Schlimmes anstellen konnte. Einige Mä n ner kamen nun an meinen Tisch.
»Woher kommst du?« kam die Frage.
»Ich habe mein ganzes Leben in Tharna zugebracht.«
Dröhnendes Gelächter quittierte diese Antwort.
Kurz darauf dirigierte ich einen rauhen Männerchor; ich ließ meinen Speerschaft auf die Tischplatte poltern und stimmte Lieder an – wilde Trinklieder, Kriegslieder, Lieder von Belagerung und Tod. Ich brachte den Männern Gesänge bei, die ich in der Karawane des Händlers Mintar gelernt hatte – damals, als ich Talena lieben lernte –, Lie der von der Liebe, von der Einsamkeit, von der Schönheit einer Heimatstadt, von den Schönheiten Gors.
Der Kal-da floß in dieser Nacht in Strömen, und dre i mal mußte in den Tharlarionlampen das Öl nachgefüllt werden. Angelockt durch den ungewohnten Lärm waren Männer von der Straße hereingekommen; auch einige Krieger, die unglaublicherweise ihre Helme abnahmen, sie mit Kal-da füllten und in unserer Runde mitmachten.
Die Tharlarionlampen hatten schließlich ein letztes Mal geflackert und waren ausgegangen, und der erste Schi m mer der Dämmerung lag fahl im Raum. Viele Männer waren gegangen, andere schliefen auf den Tischen oder lagen auf dem Fußboden. Sogar der Wirt schlief; er hatte den Kopf auf den Tresen gelegt. Ich sah mich langsam um und wischte mir den Schlaf aus den Augen.
»Wach auf!« sagte eine Stimme.
»Das ist er«, sagte eine zweite Stimme, die ich wiede r erkannte.
Ich rappelte mich hoch und sah den kleinen zitroneng e sichtigen Mann vor mir stehen.
»Wir haben nach dir gesucht«, sagte die andere Sti m me, die zu einem stämmigen Gardisten der Stadt gehörte. Hinter ihm standen drei weitere bewaffnete Krieger.
»Er ist der Dieb«, sagte der fahlgesichtige Mann und griff nach dem Münzenbeutel, der halb geöffnet auf dem fleckigen Tisch lag. Er hielt ihn dem Gardisten hin.
»Ost«, las der Mann. Das war der Name eines winzigen orangefarbenen Reptils, das zu den bösartigsten Tieren Gors gehörte.
»Ich bin kein Dieb«, sagte ich. »Er hat mir die Münzen gegeben.«
»Er lügt«, sagte Ost.
»Nein, ich lüge nicht!«
»Du bist verhaftet«, sagte der Wächter.
»In wessen Namen?« fragte ich.
»Im Namen Laras, der Tatrix von Tharna.«
10
Widerstand wäre sinnlos gewesen.
Meine Waffen waren vorsichtig entfernt worden, als ich noch schlief; wie ein Tor hatte ich mich auf die Gas t freundschaft Tharnas verlassen. Unbewaffnet stand ich den Gardisten gegenüber. Und doch schien der Offizier die Auflehnung in meinen Augen wahrzunehmen, denn
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