GOR-Zyklus 02 - Der Geächtete von Gor
Wesen vorstellen, die gefesselt auf das ferne Wasserrauschen in den Tunneln warteten. Doch dieses Geräusch würde ausbleiben.
Ich fragte mich, ob sie verstanden, daß eine solche Tat eines wirklich freien Menschen unwürdig war und daß die Männer, die in dieser windigen, kalten Nacht gesiegt hatten, die in der Dunkelheit der Tunnel und Schächte wie Larls gekämpft hatten, die nicht an die eigene Sicherheit, sondern an die Freiheit ihrer Mitg e fangenen gedacht hatten – daß diese Männer wirklich frei waren.
Ich sprang auf die Kettenwinde und hob die Arme. Die Schwärze des Zentralschachtes gähnte unter mir.
Stille trat ein.
»Männer von Tharna«, rief ich, »und aus den anderen goreanischen Städten! Ihr seid frei!«
Ein großer Jubelschrei begrüßte diese Ankündigung.
»Die Nachricht von unseren Taten wird schon zum P a last der Tatrix getragen«, fuhr ich fort.
»Soll sie doch zittern!« rief Kron aus Tharna mit gro l lender Stimme.
»Überlege doch, Kron aus Tharna«, rief ich zurück, »bald werden die Tarnkämpfer von den Mauern Tharnas aufsteigen, und die Infanterie wird sich gegen uns ste l len.«
Besorgtes Murmeln wurde in den Reihen laut.
»Sprich, Tarl aus Ko-ro-ba«, sagte Kron und gebrauc h te den Namen meiner Stadt wie jeden anderen Stadtn a men.
»Wir haben weder die Waffen noch die Ausbildung noch die Tiere, um uns gegen die tharnaischen Soldaten durchzusetzen«, sagte ich. »Wir würden vernichtet, ze r treten wie Ratten. Deshalb müssen wir uns in die Wälder und Berge zurückziehen, müssen uns in kleine und klei n ste Gruppen aufteilen. Wir müssen von den Früchten des Landes leben. Alle Soldaten und Gardisten Tharnas we r den uns suchen, alle verfügbaren Kräfte werden zu uns e rer Verfolgung abkommandiert! Man wird uns verfolgen. Lanzenreiter auf den großen Tharlarions werden uns au f spießen. Die Pfeile der fliegenden Tarnkämpfer werden uns treffen!«
»Aber wir werden in Freiheit sterben!« rief Andreas aus Tor, und sein Schrei wurde von unzähligen Stimmen aufgenommen.
»Und das muß für andere ebenso gelten!« rief ich. »Ihr müßt euch bei Tag verstecken und während der Nacht weiterziehen. Ihr müßt euren Verfolgern ausweichen. Ihr müßt die Freiheit zu den anderen tragen!«
»Verlangst du von uns, daß wir Krieger werden?« rief eine Stimme.
»Ja!« schrie ich, und solche Worte waren auf Gor noch nie gesprochen worden. »In dieser Sache müßt ihr Kri e ger werden, ob ihr nun aus der Kaste der Bauern oder Dichter oder Metallarbeiter oder Sattelmacher stammt, Krieger!«
»Das werden wir!« sagte Kron aus Tharna und schwang den gewaltigen Hammer, mit dem er unsere Handfesseln abgeschlagen hatte.
»Ist dies der Wille der Priesterkönige?« fragte eine Stimme.
»Wenn es der Wille der Priesterkönige ist«, sagte ich, »soll es geschehen!« Und dann hob ich wieder die Hä n de. Ich stand auf der großen Winde über dem Schacht, vom Wind umzaust, die Monde Gors standen über mir, und ich rief: »Und wenn es nicht der Wille der Prieste r könige ist, soll es trotzdem geschehen!«
»Es soll geschehen«, sagte die Stimme Krons.
»Es soll geschehen«, sagten die Männer zuerst nur ve r einzelt, dann gemeinsam und schließlich im Chor, im mächtigen Rhythmus, und ich wußte, daß sich auf dieser Welt noch niemand so geäußert hatte. Und es wollte mir seltsam erscheinen, daß diese Rebellion, dieser Wille, das nach der eigenen Auffassung Rechte zu tun, ungeachtet des Willens der Priesterkönige, nicht von den stolzen Kriegern Gors ausging, auch nicht von den Schriftgeleh r ten oder Hausbauern oder Ärzten oder sonstigen hohen Kasten in den zahlreichen goreanischen Städten, sondern hier von den niedrigsten und verachtetsten Männern di e ser Welt, den elenden Sklaven aus den Bergwerken von Tharna.
Ich blieb stehen und sah dem Abzug der Sklaven zu. Stumm wie Schatten wanderten sie davon, ihrem Leben als Geächtete entgegen, ihrem Geschick außerhalb jegl i cher Gesetze und Traditionen ihrer Heimatstädte.
Der goreanische Abschiedsgruß kam mir in den Sinn: »Ich wünsche dir alles Gute.«
Kron blieb am Schacht stehen. Ich ging auf der Que r strebe der Winde entlang und sprang neben ihm zu B o den.
Der stämmige Mann stand mit gespreizten Beinen in der Dunkelheit. Er hielt den mächtigen Hammer wie eine Lanze. Ich sah, daß sein Haar lang und verfilzt war, und seine stahlblauen Augen schienen weicher, als ich sie in Erinnerung hatte.
»Ich wünsche dir alle
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