GOR-Zyklus 02 - Der Geächtete von Gor
allerdings, daß Ar nicht einmal ein Drittel dieses Alters erreicht hat. Sein Heimstein jedoch, den ich gesehen habe, zeugt von e i nem beträchtlichen Alter.
Etwa vier Tage war ich mit meinem Tarn unterwegs, als wir in der Ferne das Sardargebirge ausmachten. Wäre ich im Besitz eines goreanischen Kompasses gewesen, hätte seine Nadel ständig auf dieses Gebirge gezeigt, eine E r innerung an die Gegenwart der Priesterkönige. Vor dem Gebirge, ein erregendes Panorama aus bunter Seide und Flaggen, sah ich die Zelte des Marktes von En ’ Kara, des Marktes der ersten Sonnenwende.
Ich zog den Tarn am Himmel herum, da ich noch näher heran wollte. Ich betrachtete die Berge, die ich nun zum erstenmal aus größerer Nähe sah, und eine seltsame Kälte drang mir in die Knochen, die nicht von den kühlen Winden kam, die hier oben herrschten.
Das Sardargebirge war nicht so hoch und zerklüftet wie die roten Spitzen der Voltai-Berge, jene unzugängliche Einöde, wo ich einmal Gefangener des Geächteten Ubar Marlenus aus Ar gewesen war, des ehrgeizigen und kampfgewohnten Vaters meiner schönen Talena, die ich liebte und die ich vor vielen Jahren auf dem Rücken me i nes Tarn nach Ko-ro-ba gebracht hatte, wo sie meine Freie Gefährtin wurde.
Nein, das Sardargebirge bot sich nicht als atembera u bende natürliche Wildnis dar. Seine Gipfel erhoben sich nicht verächtlich über die Ebenen, versuchten nicht den Himmel zu berühren und des Nachts den Sternen zu tro t zen. Hier war der Schrei von Tarns und das Grollen von Larls nicht zu hören. An Größe und Glanz war es den Voltai-Bergen unterlegen, doch als ich es jetzt anschaute, schlich sich Angst in mein Herz.
Ich lenkte den Tarn näher heran.
Die Berge vor mir waren schwarz – bis auf die hohen Gipfel und Pässe, auf denen weißschimmernder Schnee zu sehen war. Ich suchte in den niederen Regionen nach grüner Vegetation, doch ich fand nichts. Das Sardarg e birge war völlig kahl.
Von den felsigen Hängen schien eine seltsame Dr o hung, ein unbestimmter Angsthauch auszugehen. Ich lenkte den Tarn in die Höhe, so hoch, daß seine Flügel schon mühsam die dünne Luft zu peitschen begannen, doch ich vermochte in den Tälern und an den Hängen nichts zu entdecken, was mir auf eine Unterkunft der Priesterkönige hinzudeuten schien.
Plötzlich erfüllte mich ein unheimlicher Verdacht; ich fragte mich, ob das Sardargebirge vielleicht leer war, ob es dort vielleicht nur Wind und Schnee gab, ob die Menschen etwa ahnungslos ein Nichts anbeteten. Wie stand es mit den unendlichen Gebeten der Wissenden, den Opfern, den Ritualen, den unzähligen Schreinen, Altären und Tempeln, die den Priesterkönigen geweiht waren? War es denkbar, daß der Rauch der Opfer, der Duft des Weihrauchs, das Murmeln der Wissenden, ihre Kniefälle und Unterwerfungen nur den leeren Gipfeln dieses Gebirges galten, dem Schnee und der Kälte und dem Wind, der zwischen den schwarzen Klippen heu l te?
Plötzlich kreischte der Tarn auf und erschauerte in der Luft.
Und schon war der Gedanke an die Leere des Sarda r gebirges wie fortgeblasen, denn jetzt hatte ich eine Spur der Priesterkönige!
Es war fast, als bebte der Vogel im Griff einer unsich t baren Faust!
Ich spürte nichts.
In den Augen des Vogels zeigte sich Entsetzen, eine Regung, die ich noch nie bei ihm erlebt hatte und die mir ganz unglaublich erschien.
Zu sehen war nichts.
Widerwillig, protestierend, kreischend – so taumelte der Vogel hilflos hin und her, verlor an Höhe. Seine mächtigen Flügel peitschten sinnlos auf und ab, unkoo r diniert, wie die Glieder eines Ertrinkenden. Es hatte den Anschein, als weigerte sich die Luft, sein Gewicht länger zu tragen. In trunkenen Kreisen, verwirrt, hilflos schre i end, fiel der Vogel weiter ab, während ich mich verzwe i felt an seinen Halsfedern festkrallte und mein Gleichg e wicht zu halten versuchte.
Als wir eine Höhe von hundert Metern erreichten, war das seltsame Schauspiel so plötzlich vorbei, wie es g e kommen war. Der Vogel gewann an Höhe und Kraft, gewann seine alte Energie zurück, doch er war seltsam erregt und ließ sich fast nicht mehr lenken.
Zu meiner Verblüffung begann er wieder anzusteigen, entschlossen, in der alten Höhe weiterzufliegen.
Immer wieder versuchte er an Höhe zu gewinnen, und immer wieder wurde er hinabgezwungen.
Durch das Gefieder spürte ich die Anspannung seiner Rückenmuskeln, spürte das erregte Schlagen des starken Herzens. Doch jedesmal, wenn wir
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