GOR-Zyklus 02 - Der Geächtete von Gor
»Kaufe mich, Herr«, war das nicht nur ein ritueller Satz. Sie hatten wirklich verkauft werden wollen – an mich, an jeden, der sie von der verhaßten Kette Targos befreite.
Targo schien erleichtert zu sein. Er ergriff meinen E l lenbogen und führte mich zu dem Baum zurück, vor dem noch immer das blonde Mädchen kniete.
Als ich sie anschaute, fragte ich mich wieder, warum meine Wahl ausgerechnet auf sie gefallen war. Warum nahm ich nicht eine andere? Warum war es mir nicht gleichgültig, daß dieses Mädchen das zarte Halsband trug? Wahrscheinlich lehnte ich mich überhaupt gegen die Einrichtung der Sklaverei auf und gegen die Tats a che, daß sich nichts ändern würde, wenn ich aus einem unsinnigen Mitleid heraus dieses eine Mädchen befreite. Sie konnte natürlich nicht mit ins Sardargebirge ko m men, und sobald ich sie freiließ, würde sie wieder eing e fangen oder den wilden Tieren zum Opfer fallen.
»Ich habe beschlossen, sie doch nicht zu kaufen«, sagte ich.
Das Mädchen hob den Kopf und sah mich an. Sie ve r suchte zu lächeln. Die Worte kamen leise, aber klar und deutlich: »Kaufe mich, Herr.«
»Ei!« rief der Einäugige, und sogar Targo schaute mich verblüfft an.
Es war das erstemal, daß das Mädchen diesen Satz sagte.
Ich sah sie an und bemerkte, daß sie wirklich schön war, doch am meisten fiel mir das Flehen in ihren Augen auf. Und unter diesem Blick löste sich meine Vernunf t entscheidung zu einem Nichts auf, und ich gab meinem Gefühl nach, wie ich es in der Vergangenheit schon mehrfach getan hatte.
»Nimm die Scheide«, sagte ich zu Targo. »Ich kaufe sie.«
»Und den Helm!« sagte Targo.
»Einverstanden«, erwiderte ich.
Er ergriff die Scheide, und die Freude, mit der seine dicken Finger sie umfaßten, verriet mir, daß ich seiner Meinung nach gehörig übervorteilt worden war. Im let z ten Augenblick fiel es ihm wieder ein, und er riß mir auch den Helm aus der Hand. Er und ich wußten, daß er fast völlig wertlos war. Ich lächelte leise. In solchen Di n gen war ich wohl nicht sehr talentiert. Aber wenn ich den wahren Wert der Edelsteine gekannt hätte …?
Das Mädchen sah mich an und versuchte an meinen Augen abzulesen, was aus ihr werden würde. Ihr Schic k sal lag nun in meiner Hand, ich war ihr Herr.
Grausam sind die Sitten auf Gor, dachte ich, wenn sechs kleine grüne Steine, die zusammen kaum fünfzig Gramm wiegen, und ein beschädigter Helm der Preis für ein Menschenleben sind.
Targo und sein Helfer waren zu den Zelten gegangen, um die Schlüssel für die Kette des Mädchens zu holen.
»Wie heißt du?« fragte ich.
»Eine Sklavin hat keinen Namen«, erwiderte sie. »Du magst mir einen geben, wenn du es wünschst.«
Auf Gor hat ein Sklave tatsächlich keinen Namen, da er nach dem Gesetz keine Person ist. Vom Gesichtspunkt des Goreaners aus gehörte es zu den schlimmen Dingen an der Sklaverei, daß der gefangene Sklave seinen N a men verliert. Ein Name, den er seit Geburt getragen hat, mit dem er sich selbst identifiziert hat, der zu einem Teil seiner Person geworden ist – dieser Name ist plötzlich verschwunden.
»Du bist keine geborene Sklavin«, sagte ich.
Sie lächelte mich an und schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie.
»Ich bin es zufrieden«, sagte ich, »dich bei dem Namen zu nennen, den du als freie Frau getragen hast.«
»Du bist freundlich«, sagte sie.
»Wie hast du geheißen?« fragte ich.
»Lara.«
»Lara?«
»Ja, Krieger«, sagte sie. »Erkennst du mich denn nicht? Ich war Tatrix von Tharna.«
22
Als das Mädchen losgekettet war, hob ich sie hoch und trug sie zu einem der runden Zelte, das man mir zug e wiesen hatte.
Dort sollten wir warten, bis der Sklavenkragen graviert worden war.
Das Zelt war mit dicken bunten Teppichen ausgelegt und mit zahlreichen Seidenvorhängen geschmückt. Das Licht spendete eine Tharlarionlampe, die an drei Ketten hing. Kissen lagen herum.
Sanft setzte ich das Mädchen ab, das sich langsam u m sah.
»Du wirst mich jetzt unterwerfen, nicht wahr?«
»Nein«, sagte ich.
Sie kniete vor mir nieder und legte die Stirn auf den Teppich.
»Schlag mich«, sagte sie.
Ich hob sie hoch.
»Hast du mich nicht gekauft, um mich zu vernichten?« fragte sie verwundert.
»Nein«, sagte ich. »Hast du deshalb zu mir gesagt: ›Kaufe mich, Herr‹?«
»Ich glaube schon«, erwiderte sie. »Ich hoffte wohl, daß du mich umbringen würdest. Aber ich bin mir nicht sicher.«
»Warum wolltest du sterben?«
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher