GOR-Zyklus 02 - Der Geächtete von Gor
In ihren Augen standen Tränen. Ärgerlich sagte sie: »Du hast mich nach Tharna zurückgebracht.«
»Um der Liebe meiner Freunde willen«, sagte ich.
»Und wegen der Ehre!«
»Vielleicht auch wegen der Ehre!«
»Ich hasse deine Ehre!«
»Manche Dinge sind eben doch stärker als die Schö n heit einer Frau.«
»Ich hasse dich!«
»Das tut mir leid.«
Lara lachte traurig auf und setzte sich, legte den Kopf auf die Knie. »Ich hasse dich gar nicht.«
»Ich weiß.«
»Aber ich habe … ich habe dich gehaßt. Als Tatrix von Tharna haßte ich dich – sehr sogar.«
Ich antwortete nicht. Ich wußte, daß sie die Wahrheit sprach. Ich hatte das heftige Gefühl gespürt, mit dem sie sich gegen mich aufgelehnt hatte.
»Weißt du, Krieger, warum ich dich gehaßt habe?«
»Nein«, sagte ich.
»Weil ich dich wiedererkannte, als ich dich zum e r stenmal sah – ich hatte dich in tausend verbotenen Trä u men schon gesehen.« Sie schaute mich an. »In diesen Träumen war ich die stolze Tatrix meiner Stadt, umgeben von meinem Rat und meinen Kriegern. Und plötzlich kam ein gewaltiger Tarn durch die Decke herabgestiegen, die wie Glas zerbrach, ein riesiger Tarn mit einem b e helmten Krieger. Er löste meinen Rat auf, zerschlug me i ne Armeen und entführte mich im Sattel seines Tarn in seine Stadt, wo ich – die stolze Tatrix von Tharna – sein Brandzeichen und seinen Kragen tragen mußte.«
»Du darfst diese Träume nicht fürchten«, sagte ich.
»Und in seiner Stadt«, fuhr das Mädchen mit leuchte n den Augen fort, »legte er mir Glöckchen um die Knöchel und kleidete mich in Tanzseide. Mir blieb gar nichts a n deres übrig, ich mußte ihm gehorchen. Und wenn ich nicht mehr tanzen konnte, nahm er mich in die Arme und zwang mich, wie ein Tier seinem Vergnügen zu dienen.«
»Ein grausamer Traum«, sagte ich.
Sie lachte, und auf ihrem Gesicht leuchtete die Scham. »Nein«, sagte sie, »der Traum war gar nicht grausam.«
»Ich verstehe nicht.«
»In seinen Armen lernte ich etwas, das Tharna uns nicht lehren konnte. In seinen Armen lernte ich es, an der heißen Flamme seiner Leidenschaft teilzunehmen. In se i nen Armen lernte ich Berge und Blumen kennen und hö r te den Schrei wilder Tarns und spürte die Klauenberü h rung eines wilden Larls. Zum erstenmal in meinem L e ben kamen meine Sinne zu ihrem Recht – zum erstenmal spürte ich die Bewegung der Kleidung an meinem Kö r per, zum erstenmal sah ich, wie sich ein Auge öffnet, spürte, wie sich die Berührung einer Hand wirklich a n fühlt – und da wußte ich, daß ich nicht mehr oder wen i ger war als dieser Mann oder jedes andere lebendige W e sen auf dieser Welt, und ich liebte ihn!«
Ich schwieg.
»Ich hätte seinen Kragen nicht um alles Gold und Si l ber Tharnas aufgegeben, nicht um alle Steine ihrer gra u en Mauern!«
»Aber du warst doch gar nicht frei in deinem Traum«, sagte ich.
»War ich denn frei in Tharna?«
Ich starrte auf das verschlungene Teppichmuster und schwieg.
»Natürlich«, fuhr sie fort, »unterdrückte ich als eine Frau, die die Maske Tharnas trug, diesen Traum. Ich ha ß te ihn. Er entsetzte mich. Er besagte, daß sogar ich, die Tatrix der Stadt, die unwürdige Natur eines Tieres hatte.« Sie lächelte. »Als ich dich dann sah, glaubte ich, in dir den Krieger meines Traums wiederzuerkennen. Also haßte ich dich und wollte dich vernichten, weil du mich und meine Stellung bedrohtest, und während ich dich haßte, fürchtete ich dich auch – und ich sehnte mich nach dir.«
Ich blickte überrascht auf.
»Ja«, sagte sie, »ich sehnte mich nach dir.« Sie senkte den Kopf, und ihre Stimme war so leise, daß ich sie kaum noch verstehen konnte. »Obwohl ich Tatrix von Tharna war, wollte ich dir zu Füßen liegen, wollte ich mit gelben Schnüren auf rotem Teppich gebunden werden.«
Ich erinnerte mich daran, daß sie im Ratssaal Tharnas schon einmal von gelben Schnüren gesprochen hatte.
»Was hat es mit dem Teppich und den gelben Schnüren auf sich?«
»In den alten Zeiten waren die Verhältnisse noch a n ders in Tharna.«
Im Zelt des Sklavenhändlers berichtete mir Lara nun aus der seltsamen Geschichte ihrer Stadt. Zu Anfang ha t te sich Tharna kaum von anderen goreanischen Städten unterschieden, in denen Frauen keinerlei Vorrangstellung und schon gar keine Rechte genossen. Damals waren die Riten der Unterwerfung praktiziert worden, bei denen die Gefangene mit gelben Schnüren gefesselt und auf einen roten Teppich gelegt
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