GOR-Zyklus 06 - Die Piratenstadt von Go
Sie ve r hielten parallel über dem Wasser, und die niedrige Sonne spiegelte sich auf den Ruderblättern. Ich bemerkte, daß sie nur wenige Zentimeter über dem Wasser hingen, so schwer waren die Barken beladen. Auf einen neuen Befehl des R u dermeisters tauchten die Ruder nun langsam ins Wasser, bewegten sich in vollkommener Übereinstimmung, h o ben sich an, und Tropfen fielen wie Perlen vom Holz.
Die Barke begann sich von der Insel zu entfernen, wendete, nahm Richtung auf Port Kar, und die anderen Barken machten das Manöver nach und folgten.
Ich richtete mich auf meinem Rencefloß auf und star r te den Schiffen nach. Ich hob die Hand und entfernte den Kranz aus Renceblumen, den ich bei dem Fest getragen hatte. Etwas Blut klebte daran, von dem Schlag, den ich erhalten hatte. Telima, die zu meinen Füßen lag, wandte den Blick ab, als ich den Kranz in den Sumpf warf. Sie wußte, daß sie mir nun auf Gedeih und Verderb ausgeli e fert war.
Ich stand auf der Renceinsel und sah mich um. Vorsic h tig stieg ich zur Mitte der Insel empor. Es war still.
Ich sah den Pfahl, an dem ich gestanden hatte, den Festplatz, die Überreste der Hütten und die Leichen.
Ich kehrte zu meinem Floß zurück, hob Telima hoch und trug sie auf die Insel. Nahe dem Pfahl legte ich sie ab und löste ihre Fesseln.
»Befreie mich«, sagte ich.
Unsicher richtete sie sich auf und entfernte die Sump f ranke von meinem Hals.
»Du bist frei«, flüsterte sie.
Ich wandte mich ab. Irgendwo auf der Insel mußte noch etwas Eßbares sein; ich hoffte auch, etwas Wasser zu finden. Ich machte mich auf die Suche; dabei behielt ich die Sonne im Rücken, um an Telimas langem Scha t ten beobachten zu können, was sie trieb. Mir entging nicht, daß sie sich bückte und einen zerbrochenen Sumpfspeer aufnahm, dessen Spitzen noch intakt waren.
Ich drehte mich um und blickte sie an.
Sie fuhr zusammen und bedrohte mich mit dem Speer. Ich trat einen Schritt vor und entwaffnete sie mühelos.
»Versuch das nicht noch einmal«, sagte ich, und sie schüttelte den Kopf. »Gestern nacht wollte mir scheinen, daß du dich sehr vor der Sklaverei fürchtest.«
Als ich sie losband, hatte ich an ihrem linken Bein zum erstenmal das winzige Brandmal entdeckt, das sie als goreanische Sklavin auswies; bei Tage war es durch ihre Tunika verdeckt gewesen.
»Du warst früher schon Sklavin«, sagte ich.
Sie sank weinend auf die Knie.
Es hieß, daß noch keinem Sklaven die Flucht aus Port Kar gelungen war – was wohl wie so manch andere R e densart auch nicht stimmte. Trotzdem war ihre Flucht sicherlich ungewöhnlich, und wäre sie nicht ein Renc e mädchen gewesen, hätte sie das gefährliche Unterne h men nicht überstehen können. Auch Ho-Hak war aus Port Kar entkommen; wahrscheinlich gab es noch andere.
»Du mußt sehr mutig sein«, sagte ich. »Und deinen Herrn hast du sicher sehr gehaßt.«
In ihren Augen flackerte ein Funke wilden Feuers auf.
»Wie wurdest du als Sklavin genannt? – Hübsche Sklavin?«
Sie senkte den Kopf. »Ja«, schluchzte sie, »ja, ja!«
Ich ließ sie allein und setzte meine Suche fort. Bald stieß ich auf die Reste ihrer Hütte. Viel war vernichtet worden, doch einiges hatte den Überfall überstanden. Zu meiner Freude war eine der Wasserflaschen noch halb gefüllt. Ich nahm auch den Beutel mit Nahrung an mich, ebenso einige Wurfstöcke und andere Dinge, zu denen auch die Rencetunika gehörte, die sie unmittelbar vor dem Angriff ausgezogen hatte.
Telima starrte das Kleidungsstück ungläubig an. »Bin ich denn nicht deine Sklavin?« fragte sie.
»Nein«, entgegnete ich. »Zieh dich an.«
Hastig streifte sie die Tunika über. Ich reichte ihr die Wasserflasche, und sie trank. Wir hockten uns hin und aßen langsam.
»Bleibst du bei mir?« fragte sie schließlich.
»Nein.«
»Du gehst nach Port Kar?«
»Ja.«
»Aber warum?« wollte sie wissen. »Du bist doch nicht aus dieser Stadt.«
»Ich habe dort etwas zu erledigen.«
»Darf ich deinen Namen wissen?«
»Ich heiße Bosk«, sagte ich.
Tränen standen ihr in den Augen.
Ich sah keinen Grund, ihr zu sagen, daß ich Tarl Cabot hieß. Es war ein Name, der in gewissen goreanischen Städten nicht unbekannt war. Je weniger Menschen wu ß ten, daß Tarl Cabot nach Port Kar wollte, desto besser.
Ich würde mir aus Rence ein Boot bauen. Mit den vorhandenen Staken kam ich mühelos nach Port Kar. Das Mädchen war hier im Sumpf zu Hause und fand b e stimmt schnell in einer anderen
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