GOR-Zyklus 06 - Die Piratenstadt von Go
sie gewesen! Doch was für eine vorzügliche Geschäftsfrau war dieses Mädchen! Sie hatte sehr zu meinem Reichtum beigetragen. Ich stand dermaßen in ihrer Schuld, daß ich ihr heute abend gestattet hatte, an einem Ende der großen Tafel zu sitzen. Natürlich würde sich kein freier Mann neben sie setzen. Um meine anderen Schreiber und Angestellten nicht zu verärgern, hatte ich ihr die Sklavenketten anlegen lassen. Auf diese Weise nahm Luma, die vielleicht wichtigste Person im Hause außer ihrem Herrn, an meiner Siege s feier teil.
»Wir haben hier einen Sänger«, rief einer der Männer.
Das ärgerte mich, aber ich wollte den Ablauf der Dinge nicht stören, die heute abend dargebracht werden sollten.
»Er ist ein vorzüglicher Sänger«, sagte Telima hinter mir.
»Hol Ta-Wein aus der Küche«, sagte ich.
»Bitte, mein Ubar«, flehte sie, »ich möchte hierble i ben!«
Es wurde still an den Tischen. Wie es hieß, war der Mann von Sullius Maximus geblendet worden, der daran glaubte, daß ein blinder Mann bessere Lieder hervorbri n ge. Sullius Maximus, der sich selbst mit Poesie und Gi f ten beschäftigte, war ein höchst kultivierter Mann, dessen Meinung allgemein respektiert wurde. Wie dem auch sein mochte – der Sänger war jedenfalls in seiner Fi n sternis allein mit seinen Liedern. Er hatte nur sie in seiner Dunkelheit.
Ich musterte ihn. Er trug die Robe seiner Kaste, die nicht erkennen ließ, aus welcher Stadt er kam. Viele Sänger wandern von Ort zu Ort. Ich hatte vor langer Zeit einmal einen Sänger gekannt, Andreas aus Tor.
Der Sänger berührte seine Lyra.
»Ich besinge Ar und seine Belagerung, das herrliche Ar,
Ich besinge seine Türme und Mauern, das schimmernde Ar,
Ich besinge die Vergangenheit.
Ich besinge die dunkelhaarige Talena, aus dem herrlichen Ar,
Ich singe von der Wut des Marlenus, Ubar von Ar,
Ich besinge die Vergangenheit.
Ich besinge den Mann mit dem Sonnenhaar, im herrlichen Ar.
Den Mann, der einst zu den Mauern kam, des herrlichen Ar.
Tarl aus Bristol besinge ich.«
Ich starrte Telima an, die neben mir stand. In ihren A u gen standen Tränen. Es ärgerte mich, daß die anderen im Saal ebenso gebannt waren, daß sie dem Sänger und se i nen Nichtigkeiten Aufmerksamkeit schenkten, den b e deutungslosen Lauten aus dem Mund eines Blinden.
Ich dachte daran, daß Telima nur ein Rencemädchen war und wahrscheinlich noch nie einen Sänger gehört hatte. Ich überlegte, ob ich sie in die Küche schicken sol l te, sah dann aber davon ab.
Im flackernden Schein der Fackeln setzte der Sänger sein Lied fort. Er sang vom düsteren Pa-Kur, dem Anfü h rer der Attentäter und der Horden, die nach dem Die b stahl des Heimsteins über Ar hereinbrachen, er sang auch von Fahnen und schwarzen Helmen, von Standarten und von der Sonne, die auf Speerspitzen blitzte, von riesigen Belagerungstürmen, von Katapulten aus Ka-la-na und Tem-Holz, vom Donnern der Kriegstharlarion, von Ro l len der Trommeln, vom Schallen der Trompeten, vom Klirren der Waffen und dem Geschrei der Männer; und er sang von der Liebe der Menschen für ihre Stadt, und törichterweise, wußte er doch so wenig vom Menschen, besang er auch den Mut der Männer und ihre Loyalität und ihre Anhänglichkeit; er sang von Duellen, die auf den Mauern Ars und am großen Tor ausgefochten wu r den, und von Tarnreitern, die bis zum Tode über den Z y lindern der Stadt kämpften – und von einem ganz b e stimmten Zweikampf, der auf Ars Justizzylinder ausg e tragen wurde, zwischen Pa-Kur und dem Mann, der in seinem Lied Tarl aus Bristol genannt wurde.
»Warum weint mein Ubar?« fragte Telima.
»Sei still, Sklavin!« fuhr ich sie an. Ärgerlich schob ich ihre Hand von meiner Schulter.
Der Sänger hatte sein Lied beendet.
»Sänger!« rief ich ihm zu. »Gibt es diesen Tarl aus Bristol wirklich?«
Der Sänger wandte den Kopf in meine Richtung. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Vielleicht ist das alles nur ein Lied.«
Ich lachte, reichte Telima meinen Pagakelch, den sie füllte. Dann stand ich auf und hob den Kelch.
»Es gibt Gold und Stahl!« sagte ich.
»Gold und Stahl!« riefen meine Leute im Chor. Wir tranken.
»Und Lieder«, sagte der blinde Sänger.
Es war still im Saal.
Ich sah den Mann an. »Ja«, antwortete ich und hob den Kelch in seine Richtung. »Und Lieder.«
Ein Freudenschrei klang auf, und wieder tranken wir.
Als ich mich setzte, sagte ich zu den Dienstsklaven: »Bewirtet den Sänger gut.« Dann
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