GOR-Zyklus 06 - Die Piratenstadt von Go
allein, das wußte ich, auch, daß in der Ferne Männer kämpften und bald weitere in die Schlacht gehen würden, wie ich es befohlen hatte.
Ich fragte mich, ob mein Plan überhaupt Sinn hatte, und die Antwort lautete ebenfalls: ich wußte es nicht. Es gab so viele tausend Faktoren zu berücksichtigen, die unmöglich vorherzusehen waren, soviel konnte sich ve r ändern, konnte sich zu unseren Gunsten oder Ungunsten auswirken.
Ich wußte, daß Chenbar ein brillanter Ubar und Kap i tän war – aber selbst er konnte unmöglich unsere Pläne wissen oder erraten, denn wir selbst hatten vor Stunden noch nicht gewußt, was wir machen sollten, wie wir uns des Angriffs am besten erwehren konnten.
Ich rechnete nicht mit einem Sieg.
Es kam mir plötzlich närrisch vor, daß ich nicht aus der Stadt geflohen war, als ich dazu noch Gelegenheit hatte. Gewiß hatten viele andere Kapitäne so gehandelt, hatten ihre Laderäume mit angeketteten Sklaven und Schätzen angefüllt. Warum war ich nicht geflohen? Wa r um waren die anderen Kapitäne da draußen geblieben? Waren denn alle Menschen Narren? Jetzt mußten Me n schen sterben. Gibt es überhaupt ein Ziel, das ein Me n schenleben wert ist? Muß man nicht selbst die schän d lichste Unterwerfung dem Tod vorziehen? Ist es nicht besser, einem Herrn untertänig zu dienen, als auch nur den Verlust eines Menschenlebens zu riskieren – und sei es des eigenen? Ich dachte daran, daß ich mich einmal in den fernen Sümpfen in mein Schicksal ergeben hatte, um zu überleben, und nun saß ich, derselbe Feigling, hier im Umhang eines Admirals und beobachtete die Formierung von Flotten, sah Menschen dem Weg ihrer Bestimmung – Vernichtung oder Sieg – folgen, auf den ich sie g e schickt hatte, obwohl ich doch so wenig über das Leben oder den Krieg oder das Glück wußte.
Sicher gab es andere, die der Verantwortung solcher Worte besser gewachsen waren, solcher Befehle, mit d e nen Männer in den Tod geschickt wurden. Was würden sie von mir halten, wenn sie im kalten Wasser des Thassa ertranken oder vom Schwert getroffen auf die Decksplanken sanken? Würden sie mich dann auch noch bejubeln? Und welche Schuldenlast trug ich an jedem dieser Toten, denn es waren meine Worte, die Worte e i nes törichten, unwissenden Narren, die sie ins Wasser und in die Klingen der Feinde geschickt hatten.
Ich hätte ihnen zur Flucht raten sollen. Statt dessen hatte ich ihnen einen Heimstein geschenkt.
»Admiral!« rief eine Stimme unter mir. »Seht!« Der Ruf kam von einem Seemann, der mit einem Fernglas auf dem hohen Bug der Dorna stand. »Die Venna!« rief er. »Sie ist durchgebrochen!«
Ich hob das Glas und schaute nach Westen. In der Ferne sah ich mein Tarnschiff, die Venna. Sie war auf die Linien aus Cos und Tyros getroffen, war durchgebrochen und schwenkte nun herum, um erneut zuzuschlagen. Bei ihr war ihr Schwesterschiff, die Tela. Ich sah zwei Tar n schiffe aus Cos und Tyros angeschlagen im Wasser li e gen; das eine sank schnell. Wrackteile schwappten gegen den Rumpf.
Die Venna stand unter Tabs Kommando.
Die Männer unter mir jubelten. Gut gemacht, dachte ich. Gut gemacht.
Mehrere Schiffe an der Durchbruchstelle begannen nun zu wenden, um sich dem Gegner entgegenzustellen.
Aber hinter ihnen, ohne Masten und tief im Wasser liegend, nahte die zweite Angriffswelle.
Ich sah, wie sich die Formation der Schiffe aus Cos und Tyros zusammenzog, um an bestimmten Punkten mehr Schiffe ins Spiel zu bringen. Als die Flotte so z u sammenrückte, konnte ich sie zum erstenmal in voller Ausdehnung überschauen, was vorher nicht möglich g e wesen war.
Hinter den Schiffen meiner zweiten Welle sah ich in einem Bogen, der von Horizont zu Horizont reichte, me i ne Rundschiffe vorrücken; ihre kleinen Sturmsegel fla t terten im Wind.
Ich schaute nach hinten.
Achtern von der Dorna kamen in aller Ruhe und mit halber Schlagzahl fünfzig Tarnschiffe mit aufgerichteten Masten, an deren Rahen kleine Sturmsegel gesetzt waren. Im Durcheinander des Kampfes konnten sie auf den e r sten Blick für eine zweite Angriffswelle von Rundschi f fen gehalten werden.
Nach dieser vierten Angriffswelle war die fünfte We l le vorgesehen, die beiden Flotten, die von Norden und Süden angriffen; zugleich sollte meine Reserve, einhu n dertundfünf Tarnschiffe, in Signalweite der Dorna au f tauchen. Mit diesen Reserven kamen zusätzliche zehn Rundschiffe, breite Holz-Transporter aus dem Arsenal. Ihre Ladung war sogar meinen höchsten
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