GOR-Zyklus 06 - Die Piratenstadt von Go
sta n den.
»Warum bist du gekommen, um ausgerechnet meinen Turm zu verteidigen?« fragte ich Samos.
»Weißt du das nicht?« erwiderte er.
»Nein.«
»Ist ja auch egal«, sagte er.
»Ohne dich und deine Männer wäre meine Festung längst gefallen.«
Samos zuckte die Achseln.
Wir schauten über die Bastion. Der Turm steht nahe der Deltamauer meines Anwesens. Von hier oben aus konnten wir die Sümpfe überblicken, die sich bis zum Horizont erstreckten, und das weite, schöne Voskdelta, durch das ich vor so langer Zeit gekommen war.
Unsere erschöpften Kämpfer lagen unter uns im Turm. Jede Ehn Schlaf war kostbar. Sie und wir waren am Ende unserer Kräfte. Das Warten und Kämpfen, gefolgt von neuen Warteperioden, hatte uns zermürbt.
Im Turm hielten sich außerdem vier Mädchen auf – Vina, Telima, Luma und die Tanzsklavin Sandra. Die meisten anderen, ob Männer, ob Frauen, ob Sklaven oder Freie, waren geflohen. Sogar Thurnock und Thura und Clitus und Ula, von denen ich es nicht erwartet hätte, waren nicht mehr in der Festung. Allerdings nahm ich es ihnen nicht übel. Sie waren klug, und es wäre Wahnsinn gewesen, hierzubleiben. Letztlich war ich es, der hier als Narr dastand, nicht sie. Und doch wäre ich in diesem Augenblick an keinem anderen Ort lieber gewesen als hier oben, über dem Besitz, den ich mir in Port Kar zu eigen gemacht hatte.
Und so hielten Samos und ich Wache.
Ich sah ihn an. Ich verstand diesen Sklavenhändler nicht. Warum hatte er meine Festung verteidigt? War er so verrückt oder schätzte er sein Leben so gering ein?
Er gehörte nicht hierher.
Dieser Besitz gehörte mir, mir allein!
»Du bist müde«, sagte Samos. »Geh nach unten. Ich passe schon auf.«
Ich nickte. Es war sinnlos, Samos noch zu mißtrauen. Sein Schwert hatte manchen Kämpfer für mich getötet. Sein Leben war auf der Brustwehr meines Wehrturms mehr als einmal in Gefahr gewesen. Mir war egal, wem er diente – ob den Ubars, oder dem Regenten Claudius, oder den Ubaraten in Cos und Tyros, oder etwa den Anderen oder vielleicht doch den Priesterkönigen – oder ob er a l lein seine eigenen Ziele verfolgte. Mir war alles gleic h gültig geworden. Ich war zu Hause, und ich war müde.
Ich stieg durch die Falltür; über eine Leiter erreichte ich die Etage unter dem Turmdach. Hier gab es Nahrung und Wasser, ausreichend Vorräte für eine weitere W o che. Aber ich glaubte nicht, daß wir noch soviel brauchen würden. Vor Einbruch der Dunkelheit gab es bestimmt weitere Angriffe – denen wir kaum noch etwas entgege n zusetzen hatten. Die erste oder höchstens zweite A n griffswelle würde uns überrollen.
Ich sah mich um. Die Männer schliefen. Sie waren u n rasiert, verdreckt und zum Teil verwundet. Mehrere Kämpfer aus Samos’ Mannschaft waren mir unbekannt, während mir andere viel bedeuteten. Einige waren sogar Sklaven von mir, die mit Pfählen und Hämmern g e kämpft hatten, andere waren früher Sklaven gewesen, hatten jedoch die Freiheit errungen und eine Waffenau s bildung erhalten. Einige waren Seeleute, und zwei waren Söldner, die meinen Dienst nicht hatten verlassen wollen. In einer Ecke schlief Fisch; Vina lag in seinen Armen. Er hatte sich wacker gehalten.
»Herr«, sagte jemand neben mir.
An der Wand saß die Tanzsklavin Sandra. Zu meiner Überraschung hatte sie Vergnügungsseide angelegt.
Ich ging zu ihr hinüber. Sie kniete vor einem Bronz e spiegel und bearbeitete eine Augenbraue mit einer kle i nen Bürste.
Sie sah furchtsam zu mir auf. »Wenn sie kommen«, sagte sie, »werden sie doch Sandra nicht umbringen, oder?«
»Ich glaube nicht«, sagte ich. »Ich nehme an, die Männer werden dich hübsch finden und am Leben la s sen.«
Sie sah mich erleichtert an, wandte sich wieder dem Spiegel zu und starrte prüfend hinein.
Ich hob sie hoch und blickte ihr in die Augen.
»Bitte bring meine Schminke nicht durcheinander«, sagte sie.
Ich lächelte. »Sie werden dich bezaubernd finden.«
Dann küßte ich ihren Hals und stieg in das nächste Stockwerk hinab.
Hier lehnte mit angezogenen Beinen Luma an einer Wand.
Ich blieb vor ihr stehen.
Sie blickte auf und fuhr mit der Hand über meine Wange.
»Ich würde dich befreien«, sagte ich, »aber ich fürc h te, daß freie Frauen umgebracht werden.«
Ich berührte ihren Sklavenkragen.
»Hiermit darfst du vielleicht weiterleben.«
Sie begann zu weinen und lehnte den Kopf an meine Schulter. Ich umarmte sie.
»Meine mutige Luma«, sagte ich. »Meine
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