GOR-Zyklus 10 - Die Stammeskrieger von Gor
Stahltürme.«
Wir setzten unseren Ritt fort.
In der Nacht zeigt sich die Tahari für meinen G e schmack von ihrer schönsten Seite. Während des Tages kann man sie kaum richtig ansehen, denn die Hitze und die Luftspiegelungen verzerren viel. Am Tage wirkt die Wüste gefährlich, grellweiß, wabernd vor Hitze, ble n dend, brennend; die Menschen müssen ihre Augen schü t zen, manche wurden schon blind; Frauen und Kinder bleiben in den Zelten. Doch wenn der Abend heranrückt, wenn die Sonne untergeht, verändert sich der Eindruck; das endlose, felsige, rauhe Terrain scheint zugänglicher und milder zu werden. In dieser Zeit pflegte Hassan, der Bandit, sein Lager aufzuschlagen. Bei Sonnenuntergang malten sich Hügel, Sand und Himmel in vielen hundert Rottönen, und mit dem Schwinden des Lichts verwande l te sich dieses Rot in tausend schimmernde Goldfärbu n gen, die langsam in Blau und Purpur übergingen, kurz bevor völlige Dunkelheit eintrat.
In dieser Abendstunde setzte sich Hassan manchmal vor sein Zelt. Wir störten ihn nicht. Seltsamerweise ließ er in diesen Minuten nur Alyena zu sich. Sie allein durfte neben ihm sitzen oder liegen. Manchmal streichelte er ihr Haar oder ihre Wange, als wäre sie gar keine Sklavin, sondern etwas ganz anderes. Und wenn die Sterne dann eine Zeitlang am Himmel gefunkelt hatten, fuhr er plöt z lich lachend hoch, hob ihren Rock und begann sich inte n siver mit ihr zu befassen.
»Nein«, sagte ein Nomade. »Ich habe keinen Stah l turm gesehen, und auch nicht von einer solchen Ersche i nung gehört. Gibt es denn so etwas überhaupt?«
»Vielen Dank«, sagte Hassan und gab seinem Tier die Sporen.
Die Nomadenlager wurden seltener. Die Oasen lagen weiter auseinander. Wir drangen weiter in den Osten der Tahari vor.
Einige Nomaden lassen ihre Frauen verschleiert g e hen, andere nicht. Manche junge Mädchen der Tahari schmücken ihre Gesichter mit kohlegezeichneten Mu s tern. Nomadenmädchen sind in der Regel sehr hübsch. Die Nomadenkinder tragen bis zum Alter von fünf oder sechs Jahren keine Kleidung. Am Tage verlassen sie den Schatten der Zelte nicht. Abends jedoch stürmen sie ins Freie und spielen. Ihre Mütter bringen ihnen die tahar i sche Schrift bei, indem sie die Buchstaben in den Sand malen. Die meisten Nomaden in dieser Gegend waren Tashid, ein Stamm, der sich mit den Aretai verbündet hatte. Vielleicht ist es interessant, festzuhalten, daß die Kinder der Nomaden etwa achtzehn Monate lang gesäugt werden, erheblich länger als auf der Erde und auch länger als im übrigen Gor. Diese Kinder finden eine feste Bi n dung in der Familie – als verläßliche, selbstsichere Me n schen, die ein offenes Wort lieben. Im Kreise der Nom a den hört jeder Erwachsene auf die Kinder, die ja auch Mitglieder des Stammes sind. Die Nomadenmütter w a schen ihre Kleinkinder ständig, selbst wenn sie nur eine Tasse mit Wasser zur Verfügung haben. Die Kinderster b lichkeit ist bei den Nomaden sehr gering, trotz der einse i tigen Ernährung und der rauhen Umgebung. Die Erwac h senen kommen dagegen monatelang ohne frische Wäsche aus. Mit der Zeit gewöhnt man sich an die schmutzige Haut und den Geruch, der zuerst abstoßend ist, aber nach kurzer Zeit nicht mehr auffällt.
»Dort ist eine Oase!« rief ich gegen Mittag des näch s ten Tages.
»Nein«, sagte Hassan.
Ich sah die weißen Gebäude, die Kuppeldächer, die Palmen und Gärten, die hohen Stadtmauern aus rotem Lehm.
Ich blinzelte. Das Bild kam mir nicht wie eine Illusion vor. »Siehst du sie denn nicht?« fragte ich Hassan und die anderen.
»Ich sehe sie!« erwiderte Alyena.
»Wir alle sehen das Bild«, sagte Hassan. »Aber es ist nicht vorhanden.«
»Du sprichst in Rätseln«, sagte ich.
»Es handelt sich um eine Spiegelung«, behauptete er.
Ich sah mir die Erscheinung genauer an, die wirklich nicht wie eine Spiegelung aussah. Ich kannte zwei Arten von Spiegelungen in der Wüste, wie sie ab und zu von normalen Menschen wahrgenommen werden; ich meine nicht die Irrbilder eines ausgetrockneten Körpers und von der Sonne verwirrten Geistes, nicht die ureigenen Hall u zinationen eines solchen leidenden Wüstenreisenden. Bei der gewöhnlichsten Spiegelung handelt es sich lediglich um eine visuelle Fehlinterpretation als Folge von Hitz e wellen, die über der Wüste wogen. Wenn der Himmel in der emporsteigenden erhitzten Luft reflektiert wird, fällt das Abbild womöglich noch täuschender aus, denn die Oberfläche des
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