Gordon
bemerkte ich, während er redete, wie ihm ein Tropfen Sauce das Kinn hinunter rann; ich freute mich hämisch darüber und wies ihn nicht darauf hin; zu meiner großen Enttäuschung wischte er ihn sich eine Sekunde später mit der Serviette ab. Es hätte mich herzlich gefreut, ihn ausgelacht und gedemütigt zu sehen. Ich wusste, dass er mich wie selbstverständlich in seine Wohnung mitnehmen und dass ich widerstandslos mitgehen würde. Aber ich hatte die Vorstellung, dass es keine Rolle spielte, solange ich mir nichts aus ihm machte, und dass, wenn es mir gelang, ihm beizubringen, dass ich ihn unattraktiv fand, ich mein Ziel erreicht haben würde.
Nach dem Essen stiegen wir in der Regent Street in einen Bus. Es war keine Linie, die nach South Kensington oder auch nur in dessen Nähe fuhr. Ich nahm an, dass er mit mir in einen anderen Club gehen würde.
Wir stiegen am Portman Square aus, überquerten den Platz und blieben vor einem mehrgeschossigen alten Haus stehen, sehr gepflegt und mit einer eindrucksvollen schwarz lackierten Tür. Er öffnete sie mit einem eigenen Schlüssel.
»Hier entlang«, sagte er und schloss nach wenigen Schritten durch die Eingangshalle eine Tür auf. »Vorläufig habe ich nicht mehr zu bieten. Ich bin gestern hier eingezogen. Jetzt muss ich mich ernsthaft auf die Suche nach einer Wohnung in der Harley Street machen. Kommen Sie herein.«
Wir betraten einen kleinen Flur, und von da führte er mich in ein recht geräumiges Zimmer. Es war in blondem Holz möbliert, der Stil eine Mischung aus geschwungenen Beinen und geschnitzten Sträußchen und Schleifen und entfernt an Louis-Quinze erinnernd, mit einem moosgrünen Teppichboden und cremefarben getünchten Wänden. Es gab ein knopfgestepptes Sofa, das mit einem zu den Sitzpolstern der Stühle passenden dunkelgrünen Wollstoff bezogen war. Neben dem Fenster stand ein Schreibtisch. Der Schlafdiwan war gemacht, die Tagesdecke aus grünem Brokat am Fußende zusammengefaltet, und ohne hinzusehen, wusste ich, dass die Vorhänge aus dem gleichen Brokat sein würden.
Es war ein anständiges, gemäßigt luxuriöses Zimmer in einem teuren Viertel und entsprach seinem Typ bis aufs I- Tüpfelchen – bis hin zur Farbzusammenstellung Creme und Grün, den Kupferaschenbechern, den imitierten Kristallvasen aus Pressglas und dem Druck, der ein Segelschiff auf den charakteristischen steifen weiß bekrönten Wellen des späten achtzehnten Jahrhunderts darstellte. Ich wusste, dass die Kacheln des Badezimmers, das vom Flur abging, keinen einzigen Riss aufweisen würden, das Waschbecken groß und oval, die Badewanne von schwarzen Glaswänden umgeben und der Fußboden mit schwarzem, weiß geädertem Marmor belegt sein würde.
Ich sah mit einem Blick, dass es im Zimmer nichts gab, was ihm gehörte, und war froh darüber. Ich habe von jeher keine hohe Meinung von Leuten gehabt, die mir einzureden versuchen, sie könnten die Trostlosigkeit eines gemieteten Wohn-Schlafzimmers mit Hilfe einer Vase voll Blumen, eines bestickten Deckchens und ein paar Bildern in heimelige Gemütlichkeit verwandeln.
Auch ich wohnte damals in einem möblierten Zimmer – einem viel kleineren, schäbigeren und ärmlicheren als das, in dem wir uns gerade befanden, im Dachgeschoss einer Pension, mit Bad und Toilette drei Treppen tiefer, im Parterre –, und ich hatte nicht versucht, es mit derlei »persönliche Noten« zu »transformieren«. Ich bin eine Extremistin. Wenn ich nicht alles haben kann, will ich nichts. Überdies war ich zu der Zeit ganz zufrieden. Ich war frei von jener Sehnsucht nach einem eigenen Heim, die angeblich am Herzen jeder Frau nagt.
»Ich habe nichts zu trinken«, sagte er.
»Das macht nichts«, sagte ich, »ich hätte sowieso nichts gewollt.«
Er fing an, im Zimmer auf und ab zu gehen. »Wenn Sie ins Bad gehen«, sagte er, »seien Sie vorsichtig. Das Waschbecken könnte Ihnen auf die Füße krachen. Ich lasse morgen ein neues installieren.«
»Ich werde vorsichtig sein«, sagte ich und setzte mich auf das Sofa.
»Letzte Nacht hatte ich ein Mädchen hier«, sagte er, »und ich habe es rausgeworfen. Sie war ins Bad gegangen, hatte ein Glas vom Regal gestoßen und einen Sprung in das Waschbecken gemacht.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte ich. »Sie haben sie deswegen rausgeworfen?«
»Ja«, sagte er, während er weiter auf und ab ging, Schubladen der Kommode aufzog und wieder zuschob.
»Aber warum?«, fragte ich. »Sie haben sie wirklich deswegen
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