Gordon
hinein.
Nun darf nicht der falsche Eindruck entstehen, als habe er das nur getan, wenn ich »brav war«. Er stieß immer, ob ich nun willig war oder nicht, geradewegs in mich hinein, sobald ich in der gewünschten Position lag. Gordon kam mit seinen Händen oder Lippen nie auch nur in meine Nähe, als ob dies ein Zeichen von Schwäche gewesen wäre, ein völlig überflüssiger körperlicher Kontakt. Und dieser Verzicht auf jede Liebkosung, diese Aussparung alles dessen, was zu meiner Besitzergreifung unnötig war, diese bewusste Versagung jeglicher Zärtlichkeit – all dies steigerte meine Demütigung noch weiter.
Und genauso wie er mich auf eine Weise behandelte, wie mich noch kein anderer Liebhaber bisher behandelt hatte, enthielt auch ich mich jeglichen Entgegenkommens, schlang ihm nie die Arme um den Nacken, streichelte ihn nie oder versuchte sonst wie, ihn in Stimmung zu bringen.
Es war nicht nur mein Trotz, der mich zu solch einem Verhalten trieb, nicht nur das Gefühl. »Wenn du so bist, werde ich den Teufel tun, anders zu sein!«, sondern auch eine andere Empfindung: dass es ein unverzeihliches Sakrileg gewesen wäre, eine Majestätsbeleidigung oder Entweihung, wenn ich je seine Männlichkeit berührt hätte. Diese Überzeugung, ich dürfe niemals die Hand nach ihm ausstrecken und seine verbotenen Körperteile berühren, ging sogar so weit, dass ich streng genommen nicht ein einziges Mal sein Geschlecht sah. Wenn er vom anderen Ende des Zimmers aus nackt zum Bett kam, warf ich ihm höchstens mal einen kurzen Seitenblick zu und sah, dass er mich begehrte, aber dann wandte ich rasch die Augen ab.
Ich ging sogar noch weiter. Ich konnte es nicht einmal über mich bringen, ihn bei seinem Vornamen, »Richard«, zu nennen. Ich verwendete überhaupt keinen Namen, wenn ich mit ihm sprach. Wenn ich allein war und an ihn dachte, nannte ich ihn »Gordon«.
Er war in dieser Hinsicht ein wenig persönlicher, aber auch nur scheinbar; er nannte mich »mein armes Kind« und, seltener, »mein süßes Kind«; aber ich empfand das nicht als Ausdruck von Zärtlichkeit – es war gönnerhaft, es war der Beweis seiner Überlegenheit mir gegenüber. Er war der Eigentümer, und ich war die Sklavin. Er nannte mich nicht ein einziges Mal bei meinem Namen, »Louisa«, und warum hätte er es auch tun sollen? Man ruft ja auch nur »Kellner!« und »Gepäckträger!«, ohne sich weiter darum zu kümmern, ob diese nützlichen und notwendigen Kreaturen nun »Hinz« oder »Kunz« heißen.
Als ich die zweite Nacht in seinem Zimmer verbrachte, tat er mir, wie ich schon sagte, nicht weh. Und mit der Zeit ging ich dazu über, sein Liebesspiel in zwei Arten einzuteilen: die, die wehtat, und die, die nicht wehtat.
Die Art, die nicht wehtat, war anfangs, abgesehen von ihrer langen Dauer, weit gewöhnlicher, weit ähnlicher den kürzeren Erlebnissen, die ich mit anderen Männern gehabt hatte – wenngleich nur Gordon imstande war, mir dieses köstliche Gefühl der Hilflosigkeit einzuflößen, das Gefühl, unauflöslich an ihn gefesselt zu sein, mich nicht losreißen zu können. Dann aber, als ich vielleicht seit sechs Wochen seine Mätresse war, und anfangs nur, wenn ich vorher zwei Gins getrunken hatte, begann ich mich zu öffnen und ihn gierig, mit wonnevollen Empfindungen zu empfangen, die in jenen tiefen Regionen aufdämmerten und sich entfalteten, deren ich mir erst durch den Schmerz, den er mir zugefügt hatte, bewusst geworden war. Es hatte nichts mit dem scharfen, zuckenden Höhepunkt zu tun, den ich so schnell erreicht hatte, als er mich in seinem Garten über die Kante der Bank gelegt hatte. Ich wurde von einer wunderbaren Süße durchdrungen und durchströmt, und von ihrem immer gewaltigeren Strömen erfasst, wäre ich willens gewesen, um nur solch eine flüchtige Erfüllung zu erlangen, wie Faust bei seinem Pakt mit Mephisto zu geloben:
» Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch, du bist so schön,
Dann sollst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gerne mit dir gehn. «
3. KAPITEL
G ORDON LIESS NIE EIN W ORT über die Tatsache fallen, dass er mein Liebhaber war, und auch ich spielte niemals darauf an.
Wohl redete er allerdings über erotische Gegenstände im Allgemeinen und merkte dann, wenn ich schockiert war, sarkastisch an: »Wir Psychiater sind ekelhaft. Alles erinnert uns an Sex. Selbst wenn wir mit einer nackten Frau im Bett liegen, denken wir an Sex.«
Eines Nachmittags gab er mir,
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