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Gordon

Gordon

Titel: Gordon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Templeton
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mir doch niemals etwas vormachen, oder?«
    »Aber ich will auch die Enten füttern«, sagte ich.
    »Nein, mein armes Kind«, sagte er, »nicht, solange Sie nicht zugeben, dass Sie nicht erwachsen sind. Geben Sie es jetzt zu?«
    »Nur über Ihre Leiche«, sagte ich.
    »Es sind schon wahrere Dinge im Scherz gesagt worden«, bemerkte er. Er warf die leere Tüte in einen Papierkorb. »Tot oder lebendig bin und bleibe ich ein ordnungsliebender Mensch. Kommen Sie jetzt.« Und indem er mich beim Handgelenk packte, führte er mich zur Brücke. Wir überquerten den Fluss und setzten uns am anderen Ufer, im Schutz einiger Sträucher, auf einen abschüssigen Rasen.
    Ein kleiner Junge kam an uns vorbei gerannt und stieß dabei gegen meinen Fuß. Ich änderte meine Sitzhaltung und legte die Beine anders, und er kam zurückgeflitzt und stieß wieder gegen meinen Fuß.
    Ich lächelte mit gespielter Belustigung.
    »Warum hauen Sie dem Rotzlöffel nicht eine runter?«, fragte Gordon. »Das ist es doch, was Sie am liebsten täten, oder?«
    »Ja«, sagte ich beschämt. Wenn sie in Gesellschaft von Männern sind, bemühen sich Frauen grundsätzlich, dem Bild, das diese von ihnen haben, zu entsprechen. Sie geben vor, geduldig, sanft, langmütig und kinderlieb zu sein.
    Ich wendete mich zu Gordon hin und sah, dass er mich lächelnd beobachtete, und wieder einmal verspürte ich die wunderbare Erleichterung darüber, dass ich mich bei ihm nicht verstellen konnte und es auch nicht zu tun brauchte und dass er mich so akzeptierte, wie ich war, mit all meinen unerfreulichen Eigenschaften.
    »Diese ganze Liebe zu Kindern … ich weiß nicht«, sagte er, indem er sich auf die Seite legte und sich auf einen Ellbogen stützte. »Ich habe selbst ein Kind. Ich habe es kaum je zu Gesicht bekommen. Ich kann wirklich nicht behaupten, es zu lieben.«
    Das Kind, erzählte er mir, stammte aus seiner Ehe. Als es geboren wurde, war er mit der Armee im Ausland, und seine Frau hatte ihn wenige Monate nach der Niederkunft verlassen und war mit einem amerikanischen Soldaten, einem Lastwagenfahrer, durchgebrannt. Erst kürzlich hatte Gordon die abschließende Phase seiner Scheidung hinter sich gebracht, und die Frau würde den Mann heiraten und mit ihm – und dem Baby – nach Amerika gehen.
    Ich bemühte mich, meine Überraschung nicht zu zeigen und keinerlei Kommentare abzugeben, aus Angst, ich könnte damit die Tür in seine Vergangenheit zuschlagen, die er gerade öffnete. Er fing an, mir von seiner Frau zu erzählen. Sie war Krankenschwester gewesen, sagte er, und befand sich auf dem untersten Niveau noch als normal zu bezeichnender Intelligenz, ein an geistige Retardation grenzender »Borderline-Fall«, und als ich ihn ungläubig ansah, fügte er mit einem Lächeln hinzu: »O ja, das ist die Kategorie, in die sie gehört. Während Sie etwas Besseres sind: dekadent, das Salz der Erde.«
    Angesichts dieses zweifelhaften Kompliments schüttelte ich den Kopf.
    Er hatte sie kennen gelernt, und um über seine Verliebtheit hinwegzukommen, hatte er sie verlassen und als Schiffsarzt zu einer einjährigen Fahrt um die Welt angemustert. Er erwähnte nur zwei Länder, die er angelaufen hatte. Das eine war Japan, wo er den abscheulichen drachenübersäten Morgenrock gekauft hatte. Das andere war Russland. Während sie zwei Tage lang in einem nördlichen Hafen gelegen hatten, war ein russischer Zivilist, ein von der Hafenmeisterei geschickter Dolmetscher, an Bord gekommen, um sich zu erkundigen, ob er den Besatzungsmitgliedern irgendwie behilflich sein könnte.
    »Ich lud den Burschen in meine Kabine ein und bot ihm einen Drink und ein Sandwich an. Da fing er an zu reden, auf Englisch natürlich, und ich sagte ihm, ich sei Schotte, genau wie er. Er bestritt es; er sagte, er sei Russe und habe seine Heimat nie verlassen. Je länger er redete, desto genauer gelang es mir, seinen Akzent einzugrenzen, bis ich ihm innerhalb eines Radius von zehn Meilen sagen konnte, wo er herkam. Aus der Nähe von Glasgow, genau wie Crombie und ich selbst. Je mehr ich ihn festnagelte, desto ärgerlicher wurde er. Er verließ mich wutschäumend. Ich habe mich seither immer wieder gefragt, welches Schicksal ihn an diesen gottverlassenen Ort verschlagen haben und was er zu verbergen haben mochte, der arme Teufel.«
    »Und dann?«, fragte ich.
    »Und dann kam ich zurück und heiratete sie«, sagte er. »Es hatte überhaupt nichts genützt. Das Jahr rund um die Welt war für die Katz gewesen.«

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