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Gordon

Gordon

Titel: Gordon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Templeton
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von meiner Urgroßmutter stammte und noch nie benutzt worden war, alles irisches Leinen – und habe nur ein paar Kleinigkeiten behalten, wie eine Serviette vom Hof Kaiser Franz Josephs, und bin mit den Amerikanern nach London. Sie waren nett und großzügig, und ich konnte so faul sein, wie ich wollte, sie konnten niemanden rauswerfen, sonst hätten sie Schwierigkeiten mit dem Arbeitsamt bekommen. Und ständig fanden Partys statt, und dann gab es das gute amerikanische Essen, das wir von ihrem Kasino bekamen, und alles wäre bestens gewesen, wenn es nicht die eine Sache gegeben hätte. Ich wusste einfach nicht, wo ich anfangen sollte, nach ihm zu suchen. Dann lernte ich Reggie Starr kennen, den Filmregisseur, und wurde in seine Clique aufgenommen, und dazu gehörten auch einige Schriftsteller. Ich fragte sie alle nach Derek O’Teague, den Autor, und es kam nie etwas dabei heraus. Gewöhnlich sagten sie, ja, der Name käme ihnen irgendwie – und dann vielleicht doch nicht. Mittlerweile war ich völlig verzweifelt. Bis sich meine Cousine Sylvia einschaltete. Sie ist sehr gescheit, und außerdem hatte sie von meinem ständigen Gequengel und Gejammere die Nase voll. Und so brachte sie mich eines Tages, als ich ihr während der Mittagspause, die wir immer zusammen verbrachten, mal wieder die Ohren voll gejammert hatte, zum Times Book Shop in der Wigmore Street, und wir gingen hinein, und sie sagte zum Verkäufer: ›Ich suche ein Buch von Derek O’Teague, aber ich habe Titel und Verlag vergessen. Könnten Sie es bitte für mich heraussuchen?‹ Und der Verkäufer kam zurück und sagte, es gebe ohnehin nur ein einziges Buch von dem Autor, und sie hätten es zwar nicht auf Lager, aber sie könnten es bestellen. Es verschlug mir den Atem. Und ich bestellte es. Es existierte wirklich. Er existierte wirklich. Was sagen Sie nun?«
    »Ich sag’s später«, sagte Gordon. »Weiter.«
    »Kaum hatte ich das Buch, schlug ich es auf. Und auf dem Titelblatt war ein Foto von ihm – das war also wirklich er – und es war eine Art von Erinnerungen, überschrieben ›Der Abgrund der Zeit‹, alles so klein gehäckselte Sächelchen, die gern wie Oscar Wildes Aphorismen geklungen hätten. Und dann – wieder nichts. Denn als ich schon dachte, ich könnte ihm an die Adresse des Verlags schreiben, stellte sich heraus, dass der gar nicht mehr existierte. Hatte Anfang des Krieges Pleite gemacht. Ich hätte heulen können.«
    »Sehr hübsch«, sagte Gordon, »die Suche nach dem geheimnisvollen, unfassbaren Mann. Auf der Jagd nach dem Unbekannten.«
    »Ich gab immer noch nicht auf«, sagte ich. »Ich ging mit den Briten nach Deutschland, weil sie viel besser bezahlten und mich zum Captain machten. Und dann fing ich an, in den Kasinos die in Frage kommenden Offiziere – diejenigen, die auf dem Norwegenfeldzug gewesen waren – auszufragen, und einer von ihnen kannte ihn. Er war ihm während eines Urlaubs in London über den Weg gelaufen und war schockiert gewesen, ihn geschminkt zu sehen, aber mehr als das konnte er mir auch nicht sagen. Und so ging es weiter. Und es hörte nicht auf. Dann fuhr ich auf Urlaub nach London und traf mich mit meiner Cousine Sylvia in unserem Cafe an der Ecke der Dean Street. Es war so voll, dass wir keinen Tisch bekamen. Sylvia sagte: ›Direkt um die Ecke gibt’s noch ein sehr stimmungsvolles Cafe, das Delmain’s in der Rupert Street.‹ Und wie wir hereinkommen, sitzt er da – den Stock mit dem Goldknauf an den Stuhl gelehnt, die schwarzgoldenen Zigaretten auf dem Tisch, umgeben von einem Haufen Männer. Ich sagte zu Sylvia: ›Er ist hier, verzieh dich, sei so nett!‹ Und sie ging, sie ist ein unheimlich anständiger Kerl.«
    »Und dann sind Sie schnurstracks mit ihm ins Bett gegangen«, sagte Gordon. »Sie konnten keinen Augenblick länger warten, habe ich Recht? Mittlerweile haben Sie regelrecht gebrannt.«
    »Ja«, sagte ich, »ich nahm ihn mit zu mir nach Hause – ich meine, es war Reggies Wohnung am Sloane Square, ich verbrachte meinen Urlaub dort, mit ihm. Ich wusste, dass Reggie Außenaufnahmen drehte und nicht da sein würde, aber selbst wenn er zurückgekommen wäre, hätte es mir nichts ausgemacht. Es war mir alles egal. Als Reggie an dem Abend heimkam, erzählte ich ihm, dass ich den Mann gefunden hatte, den ich schon immer gewollt hätte.«
    »Das stimmt nicht ganz«, sagte Gordon. »Sie glaubten, den Mann gefunden zu haben, den Sie schon immer gewollt hatten. Aber das war er nicht. Doch

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