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Gordon

Gordon

Titel: Gordon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Templeton
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konnte jedes Mal sehen, wie sie sich verschleierten. Zwischendurch sagte sie mir immer wieder, sie dürfte das eigentlich gar nicht tun, weil »ihre Pumpe das nicht vertrage«, und es sei alles meine Schuld, weil ich »einfach zum Anbeißen« sei.
    Ich konnte das Kompliment nicht erwidern. Cobbie war nichts anderes als eine Variante des barschen alten Generals, den Gordon gern in der Öffentlichkeit spielte, um mich in Verlegenheit zu bringen, und genau wie Gordon erraten hatte, tröstete ich mich mit dem Gedanken, dass es zumindest ungefährlich war.
    Ich wusste noch immer nicht, was »Assoziieren« war; aber ich hatte den Verdacht, dass es sich mit meiner Unwissenheit so ähnlich verhielt wie im Bourgeois Gentilbomme, als der Neureiche zu seinem Erstaunen erfährt, dass er sein Leben lang Prosa geredet hat.
    »Cobbie hat auch ihren Abschied genommen«, sagte ich. »Ich habe sie neulich im Bus getroffen. Sie sieht noch genauso aus wie in Uniform, sie geht noch immer in Schlips und Kragen. Sie ist jetzt Leiterin eines Hotels für weibliche Universitätsangestellte. Das dürfte für sie genau das Richtige sein. Flittchen hat sie nie ausstehen können.«
    »Nicht besonders aufregend«, sagte Gordon.
    »Ich verstehe Sie nicht«, sagte ich, »jedes Mal, wenn ich jemanden interessant finde, finden Sie ihn langweilig. Und wenn ich planlos drauflos plappere, finden Sie es interessant. Wir haben wirklich nichts gemeinsam.«
    »Jetzt gehen wir aus«, sagte Gordon. »Ich bin mit dem Commissioner für Geisteskrankheiten auf einen Drink verabredet. Aber ohne die Frau. Sie erledigt ihre Weihnachtseinkäufe.«
    »Wo treffen Sie sich mit ihm?«, fragte ich.
    »In einem Pub hinter dem Selfridges«, sagte er.
    Als wir gerade die Wigmore Street überquerten, sagte ich, noch immer verärgert über seine Weigerung, sich für Cobbie zu interessieren: »Abgesehen von seinem Titel ist Ihr Commissioner herzlich langweilig.« Und als er nichts darauf erwiderte, fügte ich hinzu: »Warum machen Sie mich nicht mit Dr. Bruce bekannt? Nach Ihren Erzählungen scheint er wesentlich unterhaltsamer zu sein.«
    »Er ist tot«, sagte Gordon, »wussten Sie das nicht? Nein, natürlich nicht, Sie lesen ja keine Zeitung. Er hat sich umgebracht.«
    »Wirklich? Warum?«, fragte ich.
    »Wer weiß?«, sagte Gordon.
    Auch in der Bar, wo der Commissioner bereits auf uns gewartet hatte, erhielt ich keine weitere Erklärung, obwohl die beiden über Bruce’ Selbstmord lang und breit diskutierten; ich verstand überhaupt nichts davon, und dies umso mehr, als ich mittlerweile begriffen hatte, dass Ausdrücke wie »Depression« und »Hysterie« nicht das bedeuteten, was ich gedacht hatte, sondern Geisteszustände bezeichneten, von denen ich rein gar nichts wusste. Ich gab es auf, ihnen zuzuhören.
    Es erinnerte mich an etwas, das mir der Mann meiner Freundin Monica kürzlich, als ich bei ihr gewesen war, erzählt hatte. Er war Biologe und hatte sich in der Royal Society den Vortrag eines amerikanischen Kollegen angehört. »Das Einzige, was ich verstanden habe«, sagte er, »war, dass um sechzehn Uhr dreißig Erfrischungen gereicht werden würden.«
    Monica war die einzige Freundin, die ich aus meiner Teenagerzeit herübergerettet hatte. Während des Krieges war unser Kontakt abgerissen, und nach meiner Rückkehr aus Deutschland hatte ich sie, verheiratet und in London wohnend, wieder gefunden.
    Jetzt, da wir uns vom Commissioner verabschiedet hatten und in Richtung Oxford Street gingen, sagte ich zu Gordon: »Wissen Sie, das ganze Gespräch eben war für mich genauso, wie Monicas Mann es neulich geschildert hat«, und ich erzählte ihm die Geschichte.
    »Ach ja«, sagte er, »mein armes Kind. Sie müssen sich ziemlich ausgeschlossen gefühlt haben.«
    »Eigentlich nicht«, sagte ich. »Ich fühle mich nie ausgeschlossen, wenn ich mit Ihnen zusammen bin.«
    »Das kommt daher, dass ich so gütig zu Ihnen bin«, bemerkte er mit einem anzüglichen Grinsen, »genau wie ein liebevoller Vater.«
    »Ach, hören Sie schon auf damit«, sagte ich, »fangen Sie nicht wieder damit an! Außerdem ist mein Vater nie liebevoll gewesen, ich habe mich gerade an ein Erlebnis mit ihm aus meiner Kindheit erinnert, als wir noch in Wien wohnten.«
    »Erzählen Sie«, sagte er.
    »Ich kam in den Salon«, sagte ich. »Ich weiß auch noch genau, wie er ausgestattet war, mit Papageien auf gelbem Brokat. Ich erinnere mich überhaupt an die ganze Wohnung. Er war gerade nach Hause gekommen. Und

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